Auf dem Weg zu gesünderen Kälbern
Die Kälberaufzucht optimieren und Milchviehhalterinnen und -halter dabei mit Informationen, Beratung und Best-Practice-Beispielen unterstützen – das ist das Ziel der kürzlich gestarteten Kälberinitiative Niedersachsen (KiNi). Los ging es mit einer Reihe von Tipps rund um die Kälberhaltung – von der Geburtsvorbereitung über die Erstversorgung bis zu Fütterung und Haltung. Diese vermittelten Dr. Caroline Esfandiary vom Rindergesundheitsdienst der LUFA Nord-West und Prof. Martin Kaske vom Schweizer Kälbergesundheitsdienst bei einem Webseminar.
Bekannte Risikofaktoren und Betriebsblindheit
Die Schweiz ist Niedersachsen mit ihrem Kälbergesundheitsdienst schon einige Jahre voraus. Kaske war dort am Aufbau des Systems beteiligt. Er betonte, dass einer Datenerhebung in der Schweiz von 2018 bis 2021 zufolge 43 Prozent der Kälber zu wenig oder kein Kolostrum bekommen. Die Risikofaktoren für Kälbergesundheit seien seit Jahrzehnten bekannt. Dass dennoch immer wieder Probleme in der Kälberaufzucht auftreten, liegt Kaske zufolge zum Teil daran, dass die Kälberhaltung oft nicht als prioritär angesehen werde. Mögliche Konsequenzen würden erst später sichtbar und die Milchmenge sei unabhängig von der Kälbergesundheit, sodass die Landwirte teils Grundregeln nicht beachten würden, obwohl sie es eigentlich besser wüssten.
Das Hauptproblem ist nach Kaskes Einschätzung aber Betriebsblindheit. Sie entstehe da, wo nicht gut dokumentiert wird und folglich Probleme leicht übersehen werden. „Die Dokumentation von Totgeburten oder Kälberdurchfall ist lückenhaft. Was nicht aufgeschrieben wird, wird unsichtbar. So können wir das Problem nicht einschätzen“, erklärte er. Mittel gegen Betriebsblindheit sind für ihn ein Blick von außen und eine genaue Dokumentation für ein systematisches Controlling. Einige Zahlen sollte dafür jeder Betriebsleiter im Blick haben:
- Den Anteil der Totgeburten (Ziel: unter fünf Prozent),
- den Anteil der Aufzuchtverluste (Ziel: unter drei Prozent)
- und den Anteil der Kälber, die in der Tränkeperiode mehr als 750 Gramm Tageszunahmen erreichen (Ziel: mindestens 75 Prozent der Kälber).
Die metabolische Programmierung
„Wir müssen etablierte Konstrukte redigieren und dafür sorgen, dass die Kälber in den ersten Wochen unter optimalen Bedingungen aufwachsen, um Erkrankungen zu vermeiden“, forderte Kaske. Grund dafür sei die metabolische Programmierung: Bestimmte Umweltfaktoren können den Stoffwechsel von Säugetieren lebenslänglich programmieren. Ein kurzfristiger Stimulus, der vor der Geburt oder in den ersten Lebenswochen auf das Kalb einwirkt, könne lebenslange Konsequenzen haben. Erkrankungen könnten positive Effekte der metabolischen Programmierung wieder ausradieren.
Eine besondere Rolle spielt Kaske zufolge diesbezüglich die Tränke. „Wir haben lange übersehen, wie sich unsere Kälberhaltung von der Natur unterscheidet“, verdeutlichte er. „In der Natur trinken Kälber sechs- bis zwölfmal am Tag – immer kleine Mengen, aber zehn bis zwölf Liter am Tag. Die frühere Empfehlung mit vier bis sechs Litern ist ziemlich die Hälfte davon. Damit hungert man die Kälber groß. Und dann tränken wir nur morgens und abends oder sogar nur einmal täglich.“
Studien würden mittlerweile belegen, dass restriktiv gefütterte Kälber als Jungrinder schlechter entwickelt sind als Tiere, die in den ersten Tagen mehr Milch bekommen haben. Es gebe mittlerweile Belege für langfristige Effekte einer intensiven Kälberfütterung auf Wachstum und Gesundheit, aber auch Euterentwicklung, Erstkalbealter und Milchleistung. Und sogar die Fütterung der Mütter während der Trächtigkeit beeinflusse die Fruchtbarkeit der folgenden Generation. Daher beginne Kälbergesundheit eigentlich schon 280 Tage vor der Geburt.
Die Basis einer guten Kälbergesundheit
Dr. Caroline Esfandiary ging in ihrem Vortrag auf die sechs Säulen ein, die die Basis einer guten Kälbergesundheit bilden:
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