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EXKLUSIV-INTERVIEW MIT AGRARMINISTERIN BARBARA OTTE-KINAST

Afrikanische Schweinepest im Emsland - Versäumnisse mitten in der Krise?

1.800 Schweine wurden im Zuge des ASP-Ausbruchs im Emsland im nordrhein-westfälischen Geldern geschlachtet.

Die Lage im südlichen Emsland ist besorgniserregend. 1.800 Schweine wurden im nordrhein-westfälischen Geldern geschlachtet, der Druck wächst immer weiter. Jüngst wurde Kritik laut, dass zwar ein Schlachthof für die Schweine aus der Sperrzone gefunden sei, sich die Situation für die betroffenen Schweinehalterinnen und Schweinehalter aber nicht entwickele wie erhofft.

Die LAND & FORST sprach exklusiv mit Niedersachsens Landwirtschaftsministerin, Barbara Otte-Kinast.

Frau Otte-Kinast, es wurde kritisiert, dass die Koordination durch die Landesregierung nicht optimal laufe. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Barbara Otte-Kinast: Den Vorwurf nehme ich erstaunt zur Kenntnis und kann nur vermuten, dass es mit der allgemeinen Anspannung zusammenhängt. Schließlich ist der erste ASP-Ausbruch in Niedersachsen für alle Betroffenen ein Präzedenzfall. Für mein Haus kann ich sagen, dass wir von Beginn an mit der Branche und allen zuständigen Behörden ständig im Austausch waren. Unser Ziel ist es, die Situation so schnell wie möglich zu lösen und Konzepte zum Verbringen von Schweinen zur Schlachtung mit Land- und Fleischwirtschaft sowie den Behörden auch in anderen Ländern eng abzustimmen. Es gab in diesem Sinne auf meine Initiative hin mehrere Konferenzen unter anderem mit dem Berufsstand, Verbänden der Fleischwirtschaft sowie der Fleischwarenindustrie, Schlachtern, Verarbeitern und dem Handel. Dadurch ist es uns überhaupt gelungen, die jetzige Lösung anzubieten und weitere Optionen zu realisieren. Meine Leute haben rund um die Uhr telefoniert, um zu helfen.

Wurde mittlerweile eine Ursache für den ASP-Ausbruch im Emsland identifiziert?

Otte-Kinast: Nein, die epidemiologischen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen und die genomische Vollsequenzierung dauert noch an. Es wurde bereits festgestellt, dass der ASP-Ausbruch im Landkreis Emsland epidemiologisch nicht in Verbindung steht mit dem ASP-Ausbruch in Baden-Württemberg.

Warum dauerte die Findung so lange?

Otte-Kinast: Es gibt keine Rechtsgrundlage, dass der Staat Betriebe verpflichten soll oder kann, Tiere zu schlachten und deren Fleisch nach risikomindernder Behandlung zu verarbeiten. Durch die ASP sind bisherige Lieferbeziehungen für Schweine und Schweinefleisch ins Stocken geraten. Mit Unterstützung meines Hauses werden von der Land- und Fleischwirtschaft Konzepte erarbeitet, wie Tiere aus der ASP-Sperrzone überhaupt noch geschlachtet und verwertet werden können. Da geht es nicht nur um den Aufbau neuer Lieferbeziehungen, sondern auch um die Abstimmung zwischen den verschiedenen Behörden auf kommunaler sowie Landes- und Bundesebene.

Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast spricht im Landtag in Hannover. 

Aktuell wird nur in einem Schlachthof in NRW geschlachtet. Kann das Landwirtschaftsministerium Schlachtungen in Niedersachsen anordnen?

Otte-Kinast: Nein, das Tiergesundheitsrecht sieht die Anordnung von Schlachtungen in einem Betrieb nicht vor. Es können jedoch im Einzelfall grundsätzlich behördlicherseits aus Tierschutzgründen erforderliche Maßnahmen angeordnet werden.

Wie sollen die Schlachtungen in den nächsten Wochen weiterlaufen und wo?

Otte-Kinast: Die Verhandlungen laufen noch. Die gute Nachricht: Es sind weitere Schlachtungen geplant, die auch Entlastung bringen werden. Die Abstimmung von Konzepten läuft zurzeit überall auf Hochtouren.

Es gibt einen Krisenplan. War darin nicht von vorneherein festgelegt, welche Schlachthöfe, Verarbeiter und Vermarkter bei einem ASP-Fall in Niedersachsen in Aktion treten?

Otte-Kinast: Es gibt einen Krisenmanagement-Plan für den ASP-Ausbruchsfall. Im Rahmen der Vorbereitung auf einen Ausbruch in Niedersachsen gibt es seit 2012 Arbeitsgruppen mit Vertretern aus Gremien der gesamten Lebensmittelkette. Diese AGs erarbeiteten Musterkrisenpläne mit spezifischen Informationen zu den Maßnahmen, die in den jeweiligen Betrieben im Ausbruchsfalls durchzuführen sind. Diejenigen, die diese Krisenpläne erarbeitet haben, konnten jedoch nicht die derzeitige ohnehin angespannte Marktlage sowie die geringe Kooperationsbereitschaft in Teilen der Branche vorhersehen. Außerdem muss man im konkreten Ausbruchsfall immer die Bedingungen berücksichtigen – wie die Zahl der Schweine und Lage der Sperrzone zum Beispiel.

Es gibt einige Schlachthöfe in der Nähe vom Ausbruchs-Ort in Emsbüren. Warum wird im ca. 140 km entfernten Geldern geschlachtet und nicht zum Beispiel in Sögel?

Otte-Kinast: Die Gründe sind vielfältig: Die Schlachtbetriebe müssen Verarbeitungsbetriebe bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel einbinden, um auch einen Absatz für das Fleisch zu haben. Es kann aber auch damit zusammenhängen, dass Vorgaben von Drittländern, in die Schweinefleisch exportiert wird, die Schlachtung der Schweine aus der ASP-Sperrzone erheblich einschränken. Am Ende handelt es sich immer um eine individuelle Entscheidung des Unternehmens.

Die Sperrfrist beträgt 90 Tage. Ist eine Verkürzung geplant?

Otte-Kinast: Ich habe mich persönlich bei Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir für eine Verkürzung der 90-Tage-Frist in Niedersachsen eingesetzt und ihn gebeten, entsprechend auf die EU-Kommission einzuwirken. Wir haben sofort nach dem Ausbruch reagiert und alle Maßnahmen unverzüglich durchgeführt.

Bislang haben sich zum Glück keine weiteren Symptome bei anderen Tieren gezeigt – auch nicht beim Schwarzwild. Es muss der eindeutige Nachweis erbracht werden, dass das ASP-Virus in der Sperrzone nicht mehr vorhanden ist.

Dazu gehört zum Beispiel, dass die rechtlich gebotenen sowie zusätzlich durchgeführten Untersuchungen in den Betrieben und im Schwarzwildbestand mit negativen Befunden abgeschlossen sein müssen.

Zusätzlich ist sicherzustellen, dass Biosicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Am Ende ist es dann eine Entscheidung der EU-Kommission.

Die Schweine, die aus dem Sperrbezirk stammen, werden in Thüringen verarbeitet. Warum ausgrechnet hier? Und warum ist die Verarbeitung so kompliziert und mit strengen Auflagen verbunden, obwohl alle Tiere ASP-negativ getestet wurden?

Otte-Kinast: Grund ist die Bereitschaft eines dortigen Betriebes, das von den Schweinen aus der ASP-Sperrzone gewonnene Fleisch zu verarbeiten.

Ein risikominderndes Verfahren bei der Verarbeitung ist eine Vorgabe im EU-Recht. Dadurch soll eine Verbreitung des Virus absolut ausgeschlossen werden. Das wird im Wesentlichen nur durch ausreichendes Erhitzen des Fleisches erzielt. In Tiefkühlware zum Beispiel wäre das Virus über eine lange Zeit haltbar. Die nach EU-Recht vorgegebenen Verfahren lassen sich technologisch in den Verarbeitungsbetrieben nicht einfach umsetzen, da es sich nicht um Standardverfahren handelt.

Was geschieht mit den geschlachteten und verarbeiteten Schweinen aus dem Sperrbezirk? Wie wird das Fleisch vermarktet?

Otte-Kinast: Nach der risikomindernden Behandlung ist eine ganz normale Vermarktung zum Beispiel als Hot-Dog-Würstchen möglich. Aber ich denke, das regeln die Marktteilnehmer.

In Italien erhalten die Bauern staatliche Beihilfen. Werden betroffene Schweinehalter/innen auch hier finanziell unterstützt?

Otte-Kinast: Ich kann den Wunsch verstehen, aber Politik macht keine Preise. Das ist eine Aufgabe der Wirtschaft. Die finanziellen Verhandlungen erfolgen zwischen den Mästern und den Schlachtbetrieben. Die Tierhalter können im Falle des Abschlusses einer Ertragsschadenversicherung die Mindereinnahmen dort geltend machen.

Krisenplan im ASP-Fall in Niedersachsen: Wer saß neben dem Ministerium mit im Boot? Wie sind die Zuständigkeiten?

Otte-Kinast: In Niedersachsen arbeiten die kommunalen Veterinärbehörden, das Krisen-Koordinierungszentrum des LAVES und das Landwirtschaftsministerium eng mit Vertreterinnen und Vertretern der Land- und Fleischwirtschaft bei der Prävention und Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) zusammen. Zuständig für die Durchführung der Bekämpfungsmaßnahmen vor Ort sind die jeweils örtlich zuständigen Veterinärämter. Wir unterstützen mit Informationen und koordinieren. Bei der Erstellung der niedersächsischen Krisenpläne der Wirtschaft gibt es die bereits erwähnten Arbeitsgruppen mit Vertretern aus Gremien der gesamten Lebensmittelkette.

Woran scheitert es jetzt, dass weitere Schweine die Ställe verlassen?

Otte-Kinast: Alle müssen mitziehen – also vom Zerlegebetrieb über die Kühlhäuser und die Verarbeitung bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel. Die Vorgaben von Drittländern, in die Schweinefleisch exportiert wird, machen den Abstimmungsprozess nicht einfacher. Mein Haus unterstützt zusammen mit dem LAVES die praktische Umsetzung. Wir geben allen Beteiligten Informationen zu wichtigen Details. Da geht es zum Beispiel um geeignete Desinfektionsmittel, die unschädliche Beseitigung von tierischen Nebenprodukten oder die speziellen Anforderungen an eine getrennte Produktion und Lagerung.

Was passiert mit den Ferkeln aus den Sperrbezirken? Wo werden diese untergebracht?

Otte-Kinast: Aktuell wird geprüft, ob das Verbringen von Ferkeln aus Betrieben der Überwachungszone in Betriebe außerhalb der Überwachungszone ermöglicht werden kann. Für diese Bestimmungsbetriebe würden dann auch die Sperrmaßnahmen der Überwachungszone bis zu deren Aufhebung gelten. Per Erlass wurde bereits die Möglichkeit eröffnet, nach einer Risikobewertung Ferkel aus Betrieben in der Überwachungszone in andere Betriebe derselben Lieferkette innerhalb der Überwachungszone zu verbringen.

Kann es staatlich angeordnet werden, dass Landwirte mit leerstehenden Ställen Schweine aus Sperrbezirken aufnehmen müssen?

Otte-Kinast: Ich setze da ganz klar auf die Solidarität im Berufsstand. Tierhalterinnen und Tierhaltern, deren Schweineställe derzeit nicht belegt sind, sollten in der Krise ihren Kolleginnen und Kollegen hilfreich zur Seite zu stehen. Es ist doch immer besser, man findet eine einvernehmliche Regelung.

Was passiert, wenn Schlachthöfe in Sperrbezirken liegen? Ist dann mit dem nächsten Schweinestau zu rechnen?

Otte-Kinast: Die zuständige Behörde kann die Verbringungen von Schweinen aus Betrieben außerhalb der Sperrzone in einen Schlachthof genehmigen, der in der Sperrzone liegt, wenn bestimmte Anforderungen erfüllt werden.

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