MIT MARKTANALYSE
Krieg setzt Biomarkt unter Druck
Seit Beginn des Ukrainekriegs haben sich Lebensmittelpreise spürbar verteuert. Hohe Energie- und Lebensmittelpreise bleiben voraussichtlich auch im 2. Halbjahr 2022 die maßgeblichen Inflationstreiber. Die Verbraucherpreise sind jedoch häufig prozentual stärker gestiegen als die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft. Die Vermarktungsspanne, das heißt die Differenz zwischen dem Erzeuger- und Konsumentenpreis im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) erreicht bei vielen Produkten, wie bei Rind- und Schweinefleisch, neue Höchststände.
Wie ist das zu erklären? Warum sind die Preisspielräume für Bio-Produkte begrenzt? Seit Jahresbeginn beschleunigt sich der Preisauftrieb der meisten Produktionskosten sowohl in der Erzeugung von konventionellen als auch Bioprodukten deutlich. Die Entwicklung ist bei Milch- und Fleischerzeugnissen aber auch pflanzlichen Produkten zu beobachten. Energieintensive Produktionsverfahren haben sich überproportional verteuert, was man unter anderem bei manchen Obst- und Gemüsesorten beobachten kann. Allerdings stellt sich die Frage, warum sich Bioprodukte im LEH weniger stark verteuert haben als die Verbraucherpreise konventioneller Lebensmittel.
Vergleicht man die Großhandelspreise für konventionell und ökologisch erzeugtes Getreide schrumpfen auch hier die Spannen. Zwar sind noch deutliche Unterschiede zu verzeichnen, aber der Abstand zwischen Brotweizen und Futterweizen ist prozentual kleiner geworden als in normalen Jahren. Die Preisforderungen für Körnermais bewegen sich fast auf gleichem Niveau.
Marktbeobachter erklären die Tatsache damit, dass der Getreidemarkt im Biosektor weit weniger vom Weltmarkt abhängt als die Preisentwicklung für konventionelles Getreide. Ebenfalls ist die Preisvolatilität bei Biogetreide geringer und hängt in der Entwicklung viel stärker vom regionalen Angebots- und Nachfrageverhältnis ab. Im Gegensatz zum Fleischmarkt verlief der Biomehlabsatz trotz steigender Inflationen relativ ungestört. Langfristig erwarten Marktbeobachter allerdings eine steigende Preisentwicklung, was sowohl Brotgetreide- als auch Futtergetreidearten betreffen wird.
Einkaufsverhalten der Verbraucher ändert sich
Die Bioerzeugerpreise sind im 1. HJ 2022 nicht so stark gestiegen wie im konventionellen Bereich, was sich bislang auch in der Entwicklung der Biolebensmittelpreise im LEH widerspiegelte. Die Preise beider Bereiche glichen sich in der Folge an. Teilweise waren Biolebensmittel im Supermarkt sogar günstiger. Denn Biopreise verteuern sich aufgrund längerer Kontraktlaufzeiten zwischen Produzenten und dem Handel langsamer als bei konventioneller Ware. Mit einer zeitlichen Verzögerung wird sich hier allerdings ein Nachholeffekt ergeben.
Die hohen Lebensmittelpreise sorgen für eine Änderung des Einkaufsverhaltens vieler Bundesbürger. Verbraucher reagieren auf die gestiegenen Lebensmittelpreise sehr preissensibel. Hochwertige, teure Produkte verlieren überproportional an Marktanteilen. Hiervon ist der Bio-Sektor in besonderer Weise betroffen. Angesichts der rasant steigenden Inflationsraten kaufen Konsumenten bevorzugt wieder beim Discounter ein. Direktvermarkter wie Hofläden beklagen massive Umsatzrückgänge.
Reißenden Absatz finden in den Supermärkten vor allen Dingen die preisgünstigen Eigenmarken sowie das Billigsortiment. In den vergangenen 20 Jahren sind die Lebensmittelpreise deutlich weniger angestiegen als andere Lebenshaltungskosten. Das schockt viele Konsumenten. Hochwertige Markenartikel werden weniger nachgefragt. Verbraucher sparen aber auch bei hochwertigen Tierwohlprodukten zum Beispiel der Haltungsformen 3 und 4 sowie auch im Biosegment.
Preise für Biomilch halten nicht mit
Milchviehhalter steigerten in den ersten vier Monaten 2022 die Biomilcherzeugung in Deutschland insgesamt um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Betriebe, die 2022 mit der Umstellung begonnen hat, ist überschaubar. Jedoch haben einige Betriebe dieses Jahr die Umstellung abgeschlossen und kommen nun mit ihren Mehrmengen auf den Markt.
Während deutsche konventionelle Mich und Milchprodukte auf dem Weltmarkt gefragt und auch zu steigenden Preisen gut absetzbar sind, ist der Export von Biomilcherzeugnissen schwierig, da die Nachfrage am Weltmarkt nach diesen Produkten sehr gering ist. Dies bremst den notwendigen Preisanstieg bei den Biolandwirten aus. Allerdings könnte sich das im 2. Halbjahr 2022 ändern.
Bis Ende Juni wurden Ökoartikel wie Butter, Quark, Joghurt oder Milchreis im LEH teils preiswerter als die konventionellen Produkte angeboten. Die Bio-Handelseigenmarken waren in einigen Supermärkten eine günstige Alternative zur konventionellen Marke. Im Discount wird Biofruchtjoghurt von Eigenmarken teilweise günstiger als konventionelle Marken verkauft. Im Juli standen und stehen neue Kontraktabschlüsse zwischen den Molkereien mit dem Lebensmitteleinzelhandel an, und auch die Biomilchpreise dürften von den Preisrunden profitieren. Der Discounter Aldi erhöhte zu Monatsbeginn am 1.7.22 den Milchpreis deutlich. Ein Liter Bio-Vollmilch ist nun mit einem VK von 1,69 € um mehr als 50 Cent teurer als zuvor. Milch kostet den Verbraucher damit bis zu 47 Prozent mehr pro Liter. Auch weitere Preise aus dem Bio-Sortiment sind kräftig gestiegen (siehe Tabelle).
Neben der Milch sollen auch andere Molkereiprodukte teurer werden, wie Crème fraîche, Kaffeesahne, Schmand oder Buttermilch. Auch einige Eissorten werden preislich angepasst. Es bleibt zu hoffen, dass die Erzeugerstufe auch adäquat an der Entwicklung partizipieren kann.
Die Handelsspannen weiten sich aus
Die Handelsspanne ist der Betrag, der sich aus der Differenz von Einkaufspreis beim Erzeuger und Verkaufspreis einer Ware im LEH ergibt. Ein Haupttreiber ist momentan die Inflation der Energiepreise und Logistikkosten. In der Rindfleischvermarktung ist jetzt ein neuer Rekord beim Auseinanderdriften der Spanne erreicht worden. Die Marge ist im Juni 2022 auf 4,46 Euro/kg angestiegen. Nicht zuletzt trägt der Gesetzgeber durch die Auflagenflut in allen Bereichen der Lebensmittelerzeugung einen entscheidenden Beitrag an der Inflationierung der Lebenshaltungskosten bei.
Marktsättigung bei vielen Ökoprodukten
Der Absatz hochpreisiger Lebensmittel stockt momentan. Besonders betroffen sind Eier, Fleisch und Milcherzeugnisse. Die Folgen lassen sich in der Preisentwicklung sowohl bei ökologischen und konventionell erzeugten Lebensmitteln ablesen. Die Erzeugerpreise für viele Bioprodukte sind im Verhältnis zur bereits abgelaufenen Kostenentwicklung unzureichend angestiegen. Bioerzeugnisse sind im Vergleich zu konventionellen Agrarerzeugnissen mit einem höheren Lohnkostenanteil belastet. Der Mindeststundenlohn steigt zum 1. Oktober von nun 10,45 Euro auf zwölf Euro/h an. Arbeitskräftemangel und reguläre Tariferhöhungen verteuern die Personalkosten auch weiterhin. Dies muss der Handel bei der künftigen Preisgestaltung berücksichtigen.
FAZIT
- In den vergangenen Monaten entwickelten sich die Erzeugerpreise für konventionelle Produkte prozentual besser.
- Im Gegensatz zu 2021 sind aktuell an den Ökomärkten Sättigungstendenzen zu erkennen.
- Langfristig, spätestens nach der Überwindung der Wirtschaftskrise, sollten sich im Biosegment wieder Wachstumsmöglichkeiten ergeben.
- Momentan sollten Produktionsausweitungen im Bio-Bereich aber gut überlegt werden.
Dr. Hortmann-Scholten
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