DORFLEBEN
Hier rattert‘s und dampft‘s
Erst heißt es schrauben, tüfteln und ölen – wenn es dann rattert und dampft, sind alle rundherum glücklich. 14 ehrenamtlichen Mitglieder der Technik-AG treffen sich regelmäßig im Freilichtmuseum am Kiekeberg in Ehestorf. Mit Schraubenzieher, Schweißbrenner und Rohrzange bringen sie die alten Trecker und Landmaschinen wieder in Gang. Die Gruppe hat sich im Jahr 2015 gebildet, um mehr alte Fahrzeuge aus dem Fundus zu zeigen und vorzuführen. „Wir erwecken die Schätze zum Leben, denn wir sind ein lebendiges Museum“, sagt AG-Leiter Holger Hink, den alle nur „Dr. Trecker“ nennen.
Vom Tempo-Dreirad und Sambron-Muldenkipper über den Seilbagger bis zum Ritscher-Trecker und Lanz Bulldog bringt er gemeinsam mit seinen Männern die Fahrzeuge wieder auf Vordermann. Die größte Herausforderung war ein Trecker der Firma Eicher ED 16/2 von 1952 aus dem Wald, der 45 Jahre lang nur gestanden hatte und mit Spinnweben überzogen war. „Mit viel Geduld und ganz viel Rostlöser haben wir auch ihn wieder hingekriegt“, erzählt Holger Hink strahlend. „Alle arbeiten hier sehr qualifiziert und hochmotiviert.“
Geschicktes Händchen
Der Andrang auf die AG ist groß, inzwischen gibt es eine lange Warteliste. Größer als jetzt dürfe die Gruppe aber nicht sein, denn wenn alle da seien, müssten sie ja auch beschäftigt werden, meint Hink. Technische Vorbildungen seien nicht erforderlich. Wichtig sei aber ein geschicktes Händchen. Man nehme alles auseinander, reinige und öle es und setze es dann wieder zusammen, das könne jeder lernen. Voraussetzung sei, dass man sich als Teil eines Teams verstehe.
„Ich bin hier zwar der Leiter, verstehe mich aber nicht unbedingt als Chef“, betont Holger Hink. „Wir machen alles gemeinsam.“ Als ausgebildeter Kfz-Mechaniker bringt er beste Voraussetzungen mit. Schon als Jugendlicher hatte er begeistert an Mopeds und Fahrzeugen herumgeschraubt. „In meinen Adern fließt Diesel“, lacht der Mann, der 1973 in Stade geboren wurde. Er hatte unter anderem eine Metallwerkstatt in einer Suchteinrichtung geleitet. Vor sechs Jahren kam Holger Hink dann als Metallrestaurator und Werkstattleiter zum Kiekeberg.
Auch die Henschel-Dampflokomobile aus dem Jahr 1924 ist wieder funktionsfähig. Beim Aktionswochenende unter dem Motto „Landwirtschaft im Wandel“ trieb sie zur Freude der Besucher die Dreschmaschine an. Zunächst war aber Heizen angesagt. Dafür lag ein großer Holzstapel bereit. „Besonders schön ist es, wenn sich dann die großen roten Räder drehen und die Dampfpfeife ertönt. Da geht mir das Herz auf“, sagt der gelernte Diplom-Ingenieur Schmidt (71).
Er ist bereits seit 25 Jahren Mitglied im Kiekeberg-Förderverein. Als ihn der damalige Museumschef Dr. Rolf Wiese fragte, ob er in der Technik-AG mitmachen wolle, hatte er zugesagt. Denn Schmidt war gerade in Rente gegangen und freute sich auf eine neue Aufgabe. „Dampfmaschinen sind mein Hobby“, erzählt er. „Zu Hause habe ich davon sogar zwei kleinere Modelle. Es beeindruckt mich, was die Menschen damals mit einfachstem Werkzeug konstruiert haben.“
Doch was ist überhaupt eine Lokomobile? Das ist eine Dampfmaschinenanlage in geschlossener Bauform. Dabei sind alle zum Betrieb erforderlichen Baugruppen wie Feuerung, Dampfkessel, Steuerung sowie die gesamte Antriebseinheit auf einer Plattform montiert. Auch Zylinder, Kolben, Kurbelwelle und Schwungrad mit Riemenscheibe gehören dazu. Lokomobile waren beweglich und konnten direkt vor Ort montiert werden. Zunächst wurden sie mit Pferden oder Ochsen zu den jeweiligen Einsatzstellen gezogen, später fuhren sie selbst. In der Landwirtschaft waren Lokomobile von etwa 1810 bis in die 1970er Jahre im Einsatz.
Kindheits-Erinnerungen
Außerdem fasziniert Hans-Ulrich Schmidt, dass im Freilichtmuseum am Kiekeberg alle landwirtschaftlichen Arbeiten vom Säen, Mähen, Dreschen und die Weiterverarbeitung dargestellt werden. In der Außenstelle, der Moisburger Mühle, wird dann das Korn gemahlen. Das leckere Brot können die Museumsbesucher erwerben. Es erfreut sich großer Beliebtheit. „Die alte Feldbestellung erinnert mich an meine Kindheit“, sagt Hans-Ulrich Schmidt. „Ich bin im Saarland aufgewachsen und habe das noch so erlebt.“
Bis auf zwei Männer besteht die Technik-AG aus Rentnern. Die Senioren seien heute sehr aktiv und suchten nach einer Beschäftigung, weiß Hink. Am Kiekeberg eint sie die Liebe zu alten Fahrzeugen und Motoren. Geht nicht, gibt`s nicht. „Das kriegen wir schon wieder hin“, lautet die Devise. Die Ehrenamtlichen haben Spaß daran – das Museum und die Besucher profitieren davon.
Ein besonderes „Schmuckstück“, dass zu den viel bestaunten Fahrzeugen am Kiekeberg gehört, ist das Tempo-Dreirad. Das Vidal & Sohn Tempo-Werk mit Sitz in Hamburg-Harburg hat den Wagen von 1928 bis 1966 gebaut. Aufgrund eines Gesetzes von 1928 durften Kraftfahrzeuge mit weniger als vier Rädern und einem Hubraum von weniger als 200 Kubikzentimetern ohne Führerschein gefahren werden und waren steuerfrei. Die Nachfrage war entsprechend groß.
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