Mensch und Maschine Hand in Hand
Die Fahrt von Osterode am Harz (Landkreis Göttingen) entlang der Sösetalsperre in Richtung Oberharz ist frustrierend. Tote Fichten, soweit das Auge reicht. Kaum eine grüne Krone ist dort zu finden. Das Schadholz in den Wäldern – nicht nur im besonders betroffenen Harz – nimmt nach wie vor einen großen Anteil der jährlich geernteten Holzmengen im Forst ein.
Vom Borkenkäfer getötete Fichten, durch Trockenheit abgestorbene Buchen und vom Triebsterben geschwächte, abgängige Eschen: Sie alle haben gemein, dass von ihnen erhöhte Gefahren ausgehen, wenn ein Forstwirt die Motorsäge ansetzt und anschließend den Baum umkeilt, damit er in die gewünschte Richtung fällt.
Wesentlich gefahrloser ist es, wenn ein Harvester den Baum umsägt. Doch in der Praxis hat sich herausgestellt, dass viele der Bäume schlichtweg zu dick sind und der Harvester sie nicht umfassen, geschweige denn gefahrlos fällen kann. Deshalb werden die Methoden häufig kombiniert: Der Forstwirt bereitet den Baum zur Fällung vor, der Harvester oder ein Bagger drückt mit seinem Fällkopf den Stamm um.
Empfehlung mit Checkliste
Was sich in der Praxis etabliert hat, ist dennoch heikel und eine rechtliche Grauzone. Denn im Arbeitsbereich des Harvesters dürfen sich eigentlich keine Menschen aufhalten.
Auch die land- und forstwirtschaftliche Sozial- und Unfallversicherung (SVLFG mit Sitz in Kassel) kennt diesen Umstand und hat jetzt gemeinsam mit dem Deutschen Forstunternehmerverband DFUV mit Sitz in Göttingen in den vergangenen drei Jahren eine Empfehlung zur sogenannten „Motormanuellen Fällung mit Kranunterstützung“ oder auch: MFK-Methode, entwickelt.
Kürzlich kamen Forstunternehmer und Vertreter von Forstverwaltungen aus ganz Deutschland – darunter viele Multiplikatoren – nach Riefensbeek in den Harz, um sich das Verfahren anzuschauen.
Jährlich fast 30 Tote bei 5.000 Unfällen in der Waldarbeit seien in Deutschland zu beklagen, sagt Christian Lüschow, forstlicher Präventionsexperte der SVLFG. Die meisten tödlichen Unfälle gebe es bei der Holzernte mit Motorsägen, vor allem durch unkontrolliert umstürzende Bäume oder wenn tote Äste und Kronenteile des fallenden Baumes aus großer Höhe herabfallen.
Durch die maschinelle Unterstützung könnten die Unfallzahlen gesenkt werden, denn bei der Holzernte durch Maschinen gebe es keinen einzigen tödlichen Unfall. Etliche der tödlich Verunglückten kommen aus dem Privatwaldbereich. Vor dem Hintergrund des massiven Kalamitätsholzanfalls wollen sie „ihr“ Holz retten. Statt mit Profis, machen sie sich in Eigenregie an die Holzernte und mitunter überschätzen sie sich dabei.
Klaus Klugmann von der SVLFG stellte klar, dass das kombinierte Verfahren ein Graubereich sei: „Weder haben wir das in der Vergangenheit verboten noch werden wir es künftig erlauben.“ Da es jedoch in der Praxis angewendet werde, habe die SVLFG gemeinsam mit dem DFUV Handlungsempfehlungen sowie Checklisten erarbeitet, die zeigen wie dieses Verfahren sicher und rechtskonform angewendet werden könne.
Per Helmfunk verbunden
Im Mittelpunkt steht dabei die Kommunikation von Motorsägen- und Maschinenführer über Helmfunk sowie eine gemeinsame Gefährdungsbeurteilung: In welche Richtung neigt sich der Baum, sind Totäste erkennbar, könnten benachbarte Bäume eine Gefahr darstellen? Praktisch sieht das so aus, dass der Forstwirt eine besondere Schnitttechnik anwendet, dann die Säge ausstellt, sich aus dem Gefahrenbereich entfernt und schließlich der Harvester oder Bagger den Baum in die gewünschte Richtung umdrückt. Beteiligt an der Entwicklung dieses Verfahrens waren unter anderem auch die Waldarbeitsschulen und Harvesterhersteller.
Keine Akkordarbeit
Die MFK-Methode ist nichts für den schnellen Eingriff. Klugmann empfiehlt, dass sich Maschinenführer und Forstwirt einen halben Tag Zeit nehmen und sich der Thematik grundsätzlich und in allen Details widmen, damit diese durch und durch verinnerlicht werde. Die SVLFG stellt dazu online umfangreiches Material zur Verfügung.
Sowohl Klugmann als auch Dr. Maurice Strunk, Geschäftsführer beim DFUV, beurteilen Handlungsempfehlung als wichtiges Signal. Denn immer häufiger müssten im Wald absterbende, kranke Bäume aus Verkehrsicherungsgründen gefällt werden, etwa an Wanderwegen, Stromleitungen, Bahnlinien und Forststraßen. Der Appell beider an die Auftraggeber ist, solche Arbeiten nicht im Akkord, sondern im Zeitlohn auszuschreiben. Denn derartig sicherheitsrelevante Tätigkeiten vertrügen keinen Stress und Zeitdruck.
Das wurde auch in der anschließenden Diskussion deutlich: Das Verfahren bringe ein Mehr an Sicherheit, aber es koste auch Zeit und das müsse bezahlt werden. „Mit das Wichtigste ist, zu kommunizieren. Wer sich Zeit nimmt, sein Tun dokumentiert und zum Thema Sicherheit offene Gespräche führt, zeigt Fürsorge und schützt alle Beteiligten“, sagt Experte Christian Lüschow.
- Handlungshilfe, Gefährdungsbeurteilung, Betriebsanweisung und Checkliste finden Sie abrufbereit unter: www.svlfg.de/mfk-methode
Das MFK-Verfahren in Kürze:
- MFK = Motormanuelle Fällung mit Kranunterstützung: Der motormanuell vorbereitete Baum wird mit Hilfe des Krans einer Maschine final zu Fall gebracht.
- Eingesetzt werden Forstmaschinen mit technisch geeignetem Mobilkran oder Ausleger, wie Harvester oder Bagger.
- Durch die Methode wird der Motorsägenführer ergonomisch entlastet. Er steht nicht mehr im unmittelbaren Gefahrenbereich des Baumes, wenn dieser fällt.
- Voraussetzung: Motorsägen- und Maschinenführer arbeiten als Team eng zusammen und sind über Sprechfunk miteinander verbunden.
- Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) hat in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und dem Deutsche Forstunternehmerverband (DFUV) eine Handlungsempfehlung entwickelt (s. Link am Textende).
- Die Empfehlung soll für Rechtssicherheit bei den Unternehmern sorgen, den regelkonformen Technikeinsatz aufzeigen, technische Fragen beantworten und über Gefährdungen informieren.
CM
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