Herdenschutz reicht nicht
Ein Regulieren des Wolfsbestandes hält der Deutsche Bauernverband (DBV) für unausweichlich. „Der Naturschutz darf die Verantwortung für den Wolf nicht beim Herdenschutz und den Weidetierhaltern abladen“, erklärte der DBV-Umweltbeauftragte und Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV), Eberhard Hartelt.
Herdenschutz allein sichere keine Koexistenz von Weidetierhaltung und Wölfen, so Hartelts. Praktikable Herdenschutzmaßnahmen könnten Wolfsrisse nämlich nicht sicher verhindern. Zugleich verursachten sie im landwirtschaftlichen Betrieb hohe Kosten und einen enormen Aufwand.
Hinzu komme, dass die exponentielle Entwicklung des Wolfsbestandes zu wachsenden und zunehmend existentiellen Problemen für die Weidetierhalter führe. Daher müsse der vom neuen Bundesnaturschutzgesetz eröffnete und längst überfällige Einstieg in ein Wolfsmanagement jetzt auch konsequent in der Praxis genutzt werden und dürfe nicht von den Ländern „ausgesessen“ werden, betonte Hartelt.
Ein Handlungsleitfaden für die Umsetzung eines aktiven Wolfsmanagements in der Praxis liege ausgearbeitet vom Aktionsbündnis Forum Natur vor. Die Spielräume des europäischen Naturschutzrechts, auf dessen Basis Länder wie Frankreich, Schweden und Finnland eine Schutzjagd des Wolfs durchführten, müssten auch in Deutschland ausgeschöpft werden.
Zahl der Woche:
861 Tiere...
starben in Niedersachsen aufgrund von Wolfsangriffen im Jahr 2019/2020 bei 240 Übergriffen. Im Vorjahr zählte man 419 tote Tiere.
Quelle: MU/NLWKN, Landesjägerschaft Niedersachsen e.V.
Die FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag beantragte die „notwendigen Schritte für die Regulierung des Wolfsbestandes“. So müsse sich die Landesregierung im Bundesrat dafür einsetzen, dass der günstige Erhaltungszustand des Wolfs festgestellt werde, betonte der agrarpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Hermann Grupe. In Niedersachsen sei der Wolf ins Jagdrecht zu überführen, eine Untergrenze für den Bestand festzulegen und Pläne für ein wirksames Wolfsmanagement aufzustellen. Schnelles Handeln sei notwendig. Mit den Rissen von Großtieren wie Rindern und Pferden sei die Situation vollständig eskaliert. „Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir im kommenden Jahr in Niedersachsen den Marker von 500 Wölfen erreicht haben“, betonte der FDP-Politiker.
Regulierung notwenig
Der Förderverein der Deutschen Schafhaltung (FDS) appellierte erneut, das „Herdenschutzexperiment umgehend zu beenden“ und den Wolf endlich zu bejagen. Weder hohe Zäune noch Herdenschutzhunde hätten auf Dauer geholfen. Der Nabu hatte sich damit gebrüstet, in 5.500 Ehrenamtsstunden 82 km „wolfsabweisenden“ Zaun errichtet zu haben. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt wertet das Nabu-Projekt als gelungenes Beispiel dafür, wie die „Symbiose zwischen Naturschutz und Weidetierhaltung gelingen kann“. Herdenschutz sei der richtige Weg, „um die berechtigten Interessen verschiedener Akteure miteinander zu versöhnen“, hieß es hier. Dem widersprach der FDS entschieden. Es gebe eine dramatische Entwicklung mit immer mehr Wolfsübergriffen und toten Weidetieren. „In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Wolfsübergriffe von 43 auf 240 und die der getöteten oder schwerstverletzt eingeschläferten Weidetieren von 123 auf 861 gestiegen“, erläutert Wendelin Schmücker, FDS-Vorsitzender.
Das entspreche einer Zunahme um 500 Prozent. „Diese Zahlen machen deutlich, dass die Utopie eines friedlichen Zusammenlebens von Wolf, Mensch sowie Weide- und Nutztieren krachend gescheitert ist.“
Pferd von Wolf gerissen
Auch die Pferdehalter sind alarmiert. Erneut wurde ein Pferd von Wölfen gerissen, wie der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) nun bestätigte. Die Stute stand auf einer Weide bei Rietze (Landkreis Peine), berichtete die Braunschweiger Zeitung (BZ). Sie wurde bei einem Angriff Ende September so schwer verletzt, dass sie eingeschläfert werden musste.
Unter dem Motto „jeder muss das Recht bekommen, seine Tiere schützen zu dürfen“, überreichten Weidetier- und Pferdehalter Anfang dieser Woche einen Brief an Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies. „Private Pferdehalter bekommen nach der aktuellen Bauordnung keine Baugenehmigung für wolfsabweisende Zäune“, berichtete Anne Friesenborg von der Bürgerinitiative „für wolfsfreie Dörfer“ gegenüber LAND & FORST. Die Bürgerinitiative überreichte das Schreiben gemeinsam mit der Interessengemeinschaft der Weidetierhalter in Immensen. „Wir fordern, dass Voraussetzungen geschaffen werden, damit auch diese Tierhalter entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen können, wenn sie es möchten“, sagte Friesenborg. Privatpersonen würden zwar eine Förderung für Zäune erhalten, aber eine Inanspruchnahme scheitere an der Baugenehmigung laut § 35 des Baugesetzbuches.
In Niedersachsen gibt es derzeit laut der Landesjägerschaft Niedersachsen 35 bestätigte Wolfsrudel und zwei Wolfspaare (Stand Ende August 2020). Deutschlandweit gab es nach Angaben der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf im Jahr 2018/2019 105 Rudel, 25 Paare und 13 Einzeltiere.
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