Geht steil
Es gibt lästigere Aufgaben für einen Redakteur, als bei sommerlichen Temperaturen in die Berge zu fahren, um dort einen spannenden Wettbewerb im Holzrücken zu erleben. Auch wenn die Fahrt von München bis nach Les Gets, 30 km südlich des Genfer Sees gelegen, gut sieben Stunden dauert und es gar nicht so einfach ist, im Sommer in diesem Ort, der zu dem gigantischen Skigebiet „Portes du Soleil“ gehört, überhaupt eine Unterkunft zu finden. Für die einfachen Leute aus dem Wald werden die schicken Chalets außerhalb der Saison scheinbar nicht extra aufgesperrt. Aber das hindert die vielen Gäste nicht, zum Teil wird auch gecampt und spätestens am Sonntag beim großen Finale ist fast der ganze Ort voll mit parkenden Autos.
Nur zum Spaß
Ein paar Freunde haben beim abendlichen Bier 2007 diesen Wettbewerb erfunden, und die Veranstaltung läuft bis heute auf rein ehrenamtlicher Basis. Die Spielregeln sind im Grunde schnell erklärt: Es gilt, einen winkligen Geländeparcours von wenigen hundert Metern Länge hier am Fuße der Skipiste mit einem Bündel von vier 10 m langen Stämmen im Schlepptau zu absolvieren. Strafpunkte bekommt, wer mit dem Fahrzeug oder dem Holz die Begrenzungspfosten oder die Bäume am Rand der Strecke berührt. Genauso tabu ist es natürlich, die Abgrenzung durch die Flatterbänder zu überschreiten. Theoretisch gibt es auch Minuspunkte, wenn der Skidder aus einem Schlammloch nicht mehr aus eigener Kraft herauskommt.
Das kam aber in diesem Jahr nicht zum Tragen, denn Petrus war überaus gnädig: Während es nur wenige Kilometer weiter am Samstag über 20 l/m² goss, regnete es hier nur gerade so viel, dass die Strecke nicht mehr staubte und die Fahrer sich über optimale Bedingungen freuen konnten. Die Fahrzeit spielt bei der Bewertung nur eine ganz untergeordnete Rolle. Es gibt eine großzügig bemessene Vorgabe. Erst wenn diese überschritten ist, weil jemand allzu lange mit den Stämmen jongliert, kommen auch dafür jeweils pro 30 s zwei Punkte dazu.
Chancengleichheit
Zugelassen für den Wettbewerb sind alle Vierradskidder. Grundsätzlich starten alle Teilnehmer in ein und derselben Klasse, unabhängig davon, ob die Maschine mit einem Kran ausgestattet ist, oder nicht. Das scheint auf den ersten Blick ungerecht – ganz offensichtlich hat man doch mit dem Kran viel bessere Möglichkeiten, die Stämme zu manipulieren, vor allem wenn es darum geht, sie seitlich zu versetzen.
Mit einem großen Paket Langholz durch einen engen Geländeparcours: da sind echte Könner gefragt
Aber im Laufe der Veranstaltung war sehr schnell zu erkennen, dass dem nicht so ist. Ein erstes Indiz dafür: Es gab durchaus Fahrer, die, obwohl sie einen Kran hatten, diesen überhaupt nicht einsetzten. Stattdessen arbeiteten sie, genauso wie die reinen Seilskidder, mit einer trickreichen Doppel-Anbindung: Das Stammpaket, wird dabei einmal ganz vorne am Kopf und ein zweites mal bei rund 3 m angeseilt und fest verschnürt. Es ist absolut faszinierend, mit welcher Kunstfertigkeit die Routiniers das Holz auf diese Weise durch die Engstellen und um kleinste Kurvenradien bugsieren. Falls es noch eines Beweises bedurfte: Nur zwei Teilnehmer schafften es, die absolute Schlüsselstelle in einem kleinen Wäldchen fehlerfrei zu absolvieren. Einer davon war rein mit der Seiltechnik unterwegs.
Für die Kollegen, die den Kran benutzen gibt es allerdings schon eine gewisse Einschränkung, um die Chancengleichheit zu wahren. Sie dürfen das Holz nur in einem bestimmten Bereich mit dem Greifer packen. Was außerdem nicht zu unterschätzen ist: Bei einem Paket von rund 2,5 Fm kommen auch starke Schwenkwerke irgendwann an ihre Grenzen. Deswegen haben auch die „Kranfahrer“ das Stammbündel immer zusätzlich einmal angeseilt und nutzen das auch durchaus beim Herumschwenken in engen Kurven.
Der Parcours
Die Strecke besteht allerdings nicht nur aus engen Radien. In der Gebirgskulisse führte die Strecke auch zweimal mit Hilfe einer Stammbrücke über einen Gebirgsbach. Dazwischen wurde ein kleiner geschotterter Autoparkplatz einbezogen, auf dem die Rennfahrer auch direkt vor dem Publikum einmal eine schwungvolle Kurve nehmen konnten. Die Zuschauer konnten außen um das ganze Gelände herumgehen und hatten bis auf wenige Ausnahmen gute Einblicke.
Verwinkelt und schlammig
Nachdem die Gemeinde Les Gets aktuell in diesem Bereich eine Sommerrodelbahn errichtet, musste die Streckenführung gegenüber den Vorjahren ein wenig abgeändert werden. Dadurch wurde der Parcours noch ein wenig verwinkelter, was natürlich die Schwierigkeit für die Teilnehmer mit großen Maschinen noch etwas erhöhte. Maxime Lantheaume mit seinem gewaltigen TCI 612 plagte sich in den Ecken wesentlich mehr als Jean Michel Valette, der mit einem uralten CAT 518 angetreten war, der gefühlt nur halb so lang ist wie der TCI.
Natürlich durfte auch eine schlammige Passage nicht fehlen, wo die kettenbewehrten Reifen ordentlich im Dreck wühlen mussten. Der Anblick würde im richtigen Arbeitsalltag jedem Umweltschützer den Magen umdrehen, aber hier ist es eine Sportveranstaltung auf einem eng begrenzten Areal und erfreut natürlich die Fans.
Die machten am Streckenrand richtig Party und feuerten die Fahrer nach Kräften an. Dabei kamen vor allem Motorsägen zum Einsatz, die ohne Sägekette – aber auch ohne Auspuff – einen ohrenbetäubenden Lärm produzierten. Daneben gab es diverse Hupen und ganz traditionelle Kuhglocken zu hören. Fürs Auge gab es bunte Rauchgranaten und Konfettikanonen. Ganz besonders gut kam beim Publikum neben dem alten CAT mit seinen schwarzen Rauchwolken aus dem Auspuff auch der blaue Camox F 175 von François Perrier an. Dieser hatte offenbar seinen Schalldämpfer ein wenig „optimiert“ und erfreute das Ohr mit einem satten Sechszylinder-Sound. Dem gegenüber klangen die modernen HSM, die mit sieben Maschinen im übrigen den größten Teil des Starterfelds ausmachten, nachgerade langweilig. Auch beim funkelnagelneuen Foretmat FSK 4625, mit dem Stéphane Valenti hier angetreten war, war das lauteste Geräusch das Surren des Kühlerlüfters.
Riesenparty
Abseits der Strecke gab es an den drei Tagen eine kleine Forsttechnik-Ausstellung zu sehen, bei der es neben den Skiddern u.a. auch eine Seilbahn-Vorführung und für die Kinder eine großzügige Station mit Dekupiersägen für eigene Holzreliefs gab. Diese waren auch immer stark umlagert.
Die Erwachsenen konnten sich am Samstagabend über eine Live-Band freuen, die auf dem großen Platz ganz schön einheizte. Als Deutscher steht man fast ein wenig neidvoll daneben und staunt, welche Menschenmassen hier ein forstlicher Wettkampf mobilisieren kann. Unsere Waldarbeitsmeisterschaften oder Forwarderwettbewerbe scheinen dem gegenüber längst nicht so attraktiv. Bei freiem Eintritt für Les Cognees lassen sich die Besucherzahlen nur sehr schlecht schätzen. Die Veranstalter vermeldeten nach Rücksprache mit der Polizei und einer Mobilfunk-Auswertung rund 32 000 Gäste für die drei Tage. Einen nachahmenswerten Trick wendeten diese im übrigen für die Aufbesserung der Einnahmen an: Anstelle einer Einlassgebühr gab es Lose für eine Tombola zu kaufen. Einziger Gewinn: ein hochwertiges Quad. Diese ziemlich reelle Gewinnchance ließ sich natürlich kaum einer entgehen und es wurden eifrig Tickets gekauft.
Um Punkt 21 Uhr war die Party beendet. Nicht nur die Band hörte auf zu spielen, sondern auch der Ausschank wurde geschlossen. Das störte an diesem Punkt aber niemand. Bei großer Wärme und strahlender Sonne hatten die meisten Gäste ohnehin schon genug Bier abgekriegt und es war sinnvoller, sich für den Finaltag zur Ruhe zu begeben.
Das große Finale
Nach dem freien Training am ersten Tag hatten die Fahrer sich mit ihren Durchfahrtszeiten ihre Startnummern erarbeitet und die Basiszeit wurde festgelegt auf 14:36 min. Für die Wertung wurden letztlich die Strafpunkte der beiden Läufe von Samstag und Sonntag zusammengezählt. Inklusive einer großzügigen Mittagspause dauerte der Wettbewerb am Sonntag bis kurz nach 16 Uhr. Die Wartezeit bis zur Siegerehrung vertrieben sich die Fahrer mit allerhand Kunststückchen, einschließlich Bier ausschenken und volle Becher ausgeben mit dem Holzgreifer. Die Gäste feierten das ebenfalls mit großer Begeisterung und das bunte Treiben wurde zig-fach mit den Handys gefilmt. Für die Siegerehrung gab es kein Treppchen, sondern es wurden schlichtweg alle Teilnehmer der Reihe nach auf die Bühne gerufen. Auch der Letztplatzierte bekam einen tosenden Applaus und die Stimmung auf der Bühne war mindestens so ausgelassen wie auf dem Platz davor. Durchgesetzt hatte sich in diesem Jahr der erst 31-jährige Romain Kientzy aus Lothringen mit seinem HSM 904 ZL. Für ihn war es die zweite Teilnahme.
Zweimal HSM
Der Titelverteidiger aus dem Jahr 2019, Hilaire Chauvin mit seinem Camox F 175, gehört zu den langjährigen Teilnehmern und landete diesmal auf Platz zwei. Der dritte Podestplatz ging an Alexis Deshayes, ebenfalls auf einem HSM 904 ZL. Während aus den Lautsprecherboxen Beats trommelten, quittierten die Zuschauer jede Platzierung mit einem Konzert aus Motorsägen und Fanfaren. Die Kinder vor der Bühne hielten sich die Ohren zu und johlten vor Begeisterung.
Unter dem Strich kann ich jedem Fan der Forsttechnik nur empfehlen, dieses Event mal zu besuchen. Damit sich die weite Fahrt lohnt, sollte man das nach Möglichkeit mit einem Kurzurlaub verknüpfen und auf jeden Fall die Bergstiefel und/oder das Mountainbike mit einpacken. Es schadet auch nicht, wenn man ein wenig Französisch kann, denn erfahrungsgemäß ist es bei den Einheimischen mit Englisch oder Deutsch nicht so weit her.
Wenn jetzt allerdings jemand Lust bekommen haben sollte, sich beim nächsten Event 2025 selbst einmal in diesem Wettbewerb zu versuchen, den muss ich leider enttäuschen. Laut Auskunft des Veranstalters hatten sich schon mehrere internationale Teams beworben, auch aus Spanien und England. Mit den 17 Startern sei allerdings die Kapazitätsgrenze erreicht, man könne nicht noch mehr aufnehmen. Möglicherweise möchten die Franzosen das Event aber auch als die Familienveranstaltung erhalten, die es jetzt ist.
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