Im Laub
Wir treffen uns Ende Juli mit Forstunternehmer Jakob Kiechle (über dessen neuen Kotschenreuther haben wir in der Forst & Technik 8/2021 berichtet) und dem zuständigen Förster Hans-Jürgen Hofbaur bei Sinzing nahe Regensburg. Hofbaur ist Geschäftsführer der FBG Augsburg Nord, der Wald bei Regensburg gehört einem Waldbesitzer aus Augsburg.
Bei dem Einsatz handelt es sich um eine Mischung aus Holzernte und Verkehrssicherung. Einige Buchen haben Trockenschäden oder Totäste in der Krone, andere drohen auf die unterhalb entlangführende Staatsstraße zu fallen. Unten auf der Straße sichert das Straßenverkehrsamt ab, wenn oben gefällt wird. Dann gellt als Zeichen ein lautes „Sperren!“ von Hans-Jürgen Hofbaur durch den Wald und die beiden Mitarbeiter sperren für wenige Minuten die Straße.
Bäume nahe der Straße zieht Jakob Kiechle mit der Seilwinde nach oben zum Forstweg. Solche, die weiter oben am Hang stehen, werden normal gefällt. Gefährlich ist beides, erzählt Kiechle. Er führt mit seinem Team seit vier Jahren regelmäßig Sommereinschläge im Laubholz durch und berichtet uns von seinen Erfahrungen.
Schwere Kronen
Zunächst einmal sind belaubte Kronen schwerer als unbelaubte im Winter, einerseits wegen der anhängenden Blattmasse, andererseits stehen die Bäume im Saft und wiegen allein deshalb mehr. Das zeigt sich bei einer Fällung, bei der eine größere Buche eine kleinere mitnimmt, die dann im schrägen Winkel von der Fallrichtung des gefällten Baums auf den Weg fällt. Glücklicherweise ist in diesem Fall nichts passiert, die mitgerissene Buche schlug aber gefährlich nah beim beobachtenden Hans-Jürgen Hofbaur und einer Kollegin ein.
Aber auch und vor allem für die Waldarbeiter selbst ist das Arbeiten im Laub eine Strapaze. Es fängt an mit der Baumansprache vor der Fällung. Im unbelaubten Zustand ist Totholz in der Krone leicht zu erkennen, gerade bei tiefbeasteten Kronen sieht man jetzt oben überhaupt nichts. So kann ein lose hängender Totast zu einer tödlichen Überraschung werden. Auch die Bestimmung des Schwerpunkts der Krone, der wichtig für die Festlegung der Fällrichtung oder für die Wahl der Fällmethode ist, wird im Laub erschwert.
Schlechte Sicht
Weiter geht es bei der Aufarbeitung. Die birgt zwar in der Regel keine tödlichen Gefahren, ist aber erheblich aufwändiger, wenn, wie in die diesem Fall, die Buchenkronen vollständig belaubt sind. Als erstes geht es auch hier um die Sicht. „Du hast erstmal einen riesigen Laubhaufen, in dem du überhaupt nichts siehst“, sagt Jakob Kiechle. „Die Arbeiter müssen das ganze Geäst wegräumen, um zu sehen, ob darunter eventuell noch ein Ast ist. Im Winter ohne Laub ist das kein Problem.“
Sogar wenn die Arbeiter die Äste sehen können, sind im Sommer viel mehr Entlastungsschnitte nötig. Das Holzist flexibler und bricht beim Aufschlag der Krone kaum. Das heißt, viele Äste stehen unter Spannung. Das kann im Ernstfall zu einem Unfall führen, wenn ein angesägter, plötzlich zurückschnellender Ast einen Arbeiter trifft. Auf jeden Fall bedeuten die Extraschnitte einen Mehraufwand. Das lässt sich bei unserem Besuch schön beobachten. Die Arbeiter setzen bei vielen unter Spannung stehenden Ästen einen kurzen schnellen Teilschnitt und gleich daneben noch einen und wenn nötig noch einen dritten, bis sich die Spannung erkennbar löst und der Ast an den Einkerbungen abknickt. Erst dann kann er gefahrlos und ohne, dass die Säge ständig einzwickt, abgetrennt werden.
Kein Cent mehr
Auch dieser Aufwand ist erheblich größer als im Winter. Denn dann fallen die Buchenkronen beim Aufschlag auf den Boden schon halb auseinander. Alles in allem, so schätzt Jakob Kiechle, ist der Aufwand im Sommer gegenüber dem Winter um 10 bis 15 % höher. Da es beim vorliegenden Einsatz zum großen Teil um Verkehrssicherung geht, wird er in Regiestunden bezahlt, also kann das höhere Risiko und der größere Aufwand abgegolten werden. Aber wie seht das in regulären Hieben aus, bei denen es ausschließlich um die Holzernte geht und die im Akkord entlohnt werden? „Da kriegst du keinen Cent mehr als im Winter“, sagt Kiechle.
Tatsächlich ist bei einem Einsatz im Laub auch schonmal was passiert. „Einer der Arbeiter hat einen Totast auf den Arm bekommen. Der Arm ist dann so dick geworden“, sagt Kiechle und deutet den Armumfang mit der Hand an. „Der Mann ist dann drei Wochen ausgefallen.“
Prämien sind entscheidend
„Einer der Arbeiter hat einen Totast auf den Arm bekommen. Er ist dann drei Wochen ausgefallen.“
Hofbaur lässt in dem Bestand Stammholz und Industrieholz aushalten. Zum einen, erzählt er, sei der Einsatz notwendig gewesen, weil einige Buche deutliche Schäden aufweisen und drohten umzukippen oder Äste zu verlieren und damit die unterhalb verlaufende Staatsstraße zu gefährden, Andererseits seien aber auch die Frühlieferprämien ausschlaggebend für den Zeitpunkt des Einsatzes gewesen, ohne die der Hieb wirtschaftlich vermutlich uninteressant geworden wäre. So aber, und gerade in Verbindung mit der Verkehrssicherung könne man den Unternehmer auch höher entlohnen, was in diesem Bestand gerechtfertigt sei. Wir fragennach, ob er noch mehr solche Einsätze in seinem Verantwortungsgebiet hat: „Gott sei Dank ist das der einzige!“
Kiechle und Hofbaur erzählen uns, dass das säge- und schälfähige Buchenrundholz an Pollmeier nach Thüringen geliefert wird. Jan Hassan, Kommunikationschef bei Pollmeier, führt die aus seiner Sicht positiven Aspekte des frühen Bucheneinschlags auf. Die Saison für die Buche wird durch den Start des Einschlags bereits im Sommer länger. Die begrenzten Kapazitäten bei Holzeinschlag und -abfuhr lassen sich so besser verteilen, Aufarbeitung und Abfuhr werden zeitlich entzerrt. Dazu kommen die kürzeren Lagerzeiten des Rundholzes. Die laubfreie Zeit geht etwa von Ende Oktober bis April. Würde man nur in dieser Zeit einschlagen, müssten die Buchenstämme bis zu einem halben Jahr im Nasslager liegen, wenn das Werk das ganze Jahr über Holz haben will. Pollmeier hat dieses Jahr seine Frühlieferprämien noch früher angeboten als in den Jahren zuvor. Bereits ab dem 7. Juli gab es 20 €/Fm extra für bereitgestellte Buchenlieferungen.
So früh gehen die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) noch nicht in die Buche, erzählt Norbert Remler, der für den Holzverkauf aus dem bayerischen Staatswald verantwortlich ist. Erst ab September, so Remler, werde man anfangen Buchen im Laub zu ernten. Zum einen könne man damit die Saison verlängern, zum anderen sei es im September meist noch trockener als in den späteren Monaten. Das heißt für einige Lagen, dass man sie im Hinblick auf die Bodenschonung überhaupt nur im Laub bearbeiten kann. Die Ernte erfolge zum Teil mit eigenen Maschinen, um die Raupenharvester mit Baumhaltetechnik über möglichst große Teile des Jahres auszulasten. Andere Teile vergeben die BaySF per Ausschreibung an Unternehmer. Sonderzahlungen für die Ernte im Laub gibt es also nicht. Es ist Sache des Unternehmers, das erhöhte Risiko und den größeren Aufwand mit einzukalkulieren. Insgesamt ernten die BaySF 5 bis 10 % des Bucheneinschlags vor dem Laubfall.
Sicherheit muss stimmen
Norbert Harrer, Vorstand des Deutschen Forstunternehmerverbands (DFUV), sagt: "Die Sicherheit muss stimmen!" Es stellt sich für den Unternehmer außerdem immer die Frage: Lohnt sich der Mehraufwand und das Risiko für die paar Euro mehr, falls es die überhaupt gibt. Für Harrer sind Bucheneinschläge im Laub Sondermaßnahmen, die, wenn es um Ausschreibung wie bei den BaySF geht, auf jeden Fall extra ausgeschrieben werden müssten: „Der Unternehmer muss wissen, was auf ihn zukommt.“ Es gebe, so Harrer, Ausschreibungen mit größeren Losen, zwischen denen dann neben vielen anderen Maßnahmen auf einmal überraschend ein Bucheneinschlag im Laub auftauche. So etwas gehe nicht. Was nie ausgeschrieben werden dürfe, meint Harrer, sind Hiebe in trockengeschädigten Buchen, schon gar nicht im Laub. „Wenn der Waldbesitzer meint, das muss er unbedingt machen, soll er sich selber mit der Motorsäge hinstellen.“
Das sagt die SVLFG
Worauf bei der Holzernte im Laub zu achten ist, dazu hat die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) jüngst eine Mitteilung verschickt. Der Einschlag im Sommer, eigentlich Holzeinschlag zur Unzeit, ist aus den oben genannten, holzmarktbedingten Gründen inzwischen zur Regel geworden. Wegen der extremen Unfallgefahr in diesen Beständen ist Fachkunde auf höchsten Niveau und ein ständig verfügbarer Schlepper mit Seilwinde erforderlich. Die schlechte Sicht in die Krone und die große Gefahr herabfallender Äste – Laubbäume sind Totastverlierer – macht ein Zufallbringen mit Abstand zum Baum erforderlich. Schlagkeilen verbietet sich wegen der starken Erschütterungen von selbst.
„Es ist statistisch nicht belegbar, weil diese Daten gar nicht erfasst werden, aber die schwersten Unfälle passieren in eben diesen Laubholzbeständen“, sagt Klaus Klugmann von der SVLFG. Die Schwere der Verletzungen sei tendenziell höher als im Gesamtschnitt. Einige Stimmen in der SVLFG würden die Holzernte im Laub gerne verbieten, berichtet Klugmann. Denn diese Unfälle kosten die Sozialgemeinschaft einen Haufen Geld. „Wenn dem Risiko von allen Seiten ausreichend Rechnung getragen wird, ist das gestaltbar“, sagt Klugmann. Das sei aber eben leider nicht der Fall.
Für Norbert Harrer ist klar: „Es kann nicht sein, dass man als Waldbesitzer sagt, man macht die Buche im Laub, weil man mehr Geld bekommt, das Risiko trägt aber allein der Unternehmer.“ Was sagt Jakob Kiechle? Lieber Laubholz im Sommer oder Nadelholz im Winter? „Lieber Nadelholz das ganze Jahr!“
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