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Biohülle

Mit Wuchshüllen aus Weidenruten bietet die Firma Freitag WeidenArt eine biologisch abbaubare Alternative zu den gängigen Kunststoffhüllen

Karl-Heinz Freitag ist in der dritten Generation beruflich mit Weiden beschäftigt. Sein Großvater Sebastian Freitag gründete eine Korbflechterei, sein Vater Heinrich konzentrierte sich auf ingenieurbiologische Verbauungen an Straßen- und Uferböschungen. In diesem Feld ist Karl-Heinz Freitag, der die Firma 1987 übernahm, immer noch tätig. Freitag WeidenArt, wie der Betrieb heute heißt wurde noch erweitert um die Bereiche Landschafts- und Gartenbau.

Blick von oben in die Wuchshülle. Entgegen anfänglicher Befürchtungen bekommen die Forstpflanzen auch in den Weidenhüllen genug Licht

Die Idee mit Weidenhüllen als Schutz vor Forstpflanzen ist 2020 entstanden und wurde mittlerweile sogar patentrechtlich geschützt. Freitag kennt die Probleme, dass Wuchshüllen aus Kunststoff oftmals nicht entsorgt werden und als Plastikmüll im Wald bleiben. Wie viele Waldbesucher kennt auch er diese Hüllen aus eigener Anschauung und ihren Mangel an Ästhetik auf der Fläche. „Plastik im Wald geht gar nicht“, sagt er.

Weidenhülle

Er überlegte also, wie man die Vorteile der Wuchshüllen nutzen könnte, ohne ihre Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Was den Einzelschutz von Forstpflanzen betrifft, sind Wuchshüllen bei den Praktikern der Favorit: leicht zu handhaben und mit hoher Schutzwirkung. Aber: Sie sind optisch im Wald eine Zumutung und müssen entsorgt werden. Im schlimmsten Fall verbleibt der Plastikmüll im Wald.

Blick ins Weidenlager am Produktionsort in Polen

Freitag hat sich also angeschaut, welche Maße derartige Wuchshüllen üblicherweise haben, und hat versucht, etwas ähnliches aus Weiden zu bauen – damit kennt er sich berufsbedingt nun einmal am besten aus. Herausgekommen sind Matten aus Weidenruten, 110 cm lang und 40 cm breit. Die Ruten sind mit bis zu acht Sisalschnüren zu einer Matte zusammengenäht. Die Schnüre hängen 12 cm über den Mattenrand hinaus, die Enden lassen sich also bequem zusammenbinden.

Weidenhüllen sind zwar teurer in der Anschaffung, dafür aber biologisch abbaubar

Ansonsten werden die Weidenhüllen ähnlich auf der Fläche ausgebracht wie die bekannten Kunststoffhüllen. Auch sie brauchen einen Holzstab zur Fixierung. An dem lässt sich die Weidenhülle mit den Schnüren leicht befestigen. Auch der Transport ist unkompliziert. Angeliefert werden die Weidenhüllen auf Europaletten, 500 Stück pro Palette. Mittlerweile hat Freitag einen Produktionspartner in Polen. Jede Matte wiegt etwa 400 g. „Zwanzig Stück lassen sich bequem vom Anhänger auf die Fläche tragen“, sagt Freitag. Lediglich der Zeitaufwand für den Aufbau ist rund 20 % höher als bei vergleichbaren Kunststoffhüllen.

Feldversuche

Die Weidenhüllen werden auf Europaletten bis zu je 500 Stück geliefert

Herausgefunden wurde das auf Testflächen bei den Bayerischen Staatsforsten in Freising und Zusmarshausen sowie in einem Privatwald in Oberfranken, die im März 2021 angelegt wurden. Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf zu verschiedenen Einzelschutz-Systemen wurden in Zusmarshausen auch die Weidenhüllen in geringer Stückzahl mit untersucht. Dabei ging es um Kosten- und Leistungsdaten, aber auch darum, ob die Weidenhüllen überhaupt für forstliche Zwecke geeignet sind.

In der Beschaffung sind die Weidenhüllen zunächst einmal teurer als ihre Pendants aus Kunststoff. Knapp 4 € werden in der Bachelorarbeit pro Stück angesetzt, einschließlich Holzstab. Die Ausbringung im Wald ist dann vergleichbar mit den Kunststoffhüllen. Karl-Heinz-Freitag bestätigt diese Preise: Ab 200 Hüllen könne man mit 3,70 € zuzüglich Mehrwertsteuer und Transport rechnen, Kleinmengen sind etwas teurer.

Auch bei der Schutzwirkung wird den Weidenhüllen in der Bachelorarbeit eine mit den Kunststoffhüllen ebenbürtige Leistung bescheinigt. Die große Frage im Vorfeld war die der Lichtmenge, die den Forstpflanzen in solch einem Weidenrondell zur Verfügung steht. Weidenruten lassen kein Licht durch, die Zwischenräume müssen reichen. Auch hier gibt die Forschung Entwarnung: Der Anwuchserfolg der Pflanzen in den Weidenhüllen war identisch mit dem der Vergleichspflanzen in den Kunststoffhüllen. Gerade auf den zu bestockenden Freiflächen könne eine gewisse Beschattung durch die Weidenruten sogar hilfreich sein, erklärt Freitag. Mittlerweile haben die Hüllen dickere Schnüre, die reißfester sind und für etwas mehr Licht zwischen den Weidenruten sorgen.

Die Weidenhüllen werden ähnlich gehandhabt wie die gängigen Kunststoffhüllen. Mit den seitlich heraushängenden Bändern lässt sich die Hülle am Holzstab befestigen

Biologisch abbaubar

Entscheidend wird es am Ende der Nutzungsdauer. Kunststoffhüllen lassen im besten Fall wiederverwenden, oft muss man sie entsorgen. „Der Rückbau durch Unternehmer kostet in Bayern teilweise über 2,50 € pro Wuchshülle, einschließlich Entsorgung“, weiß Karl-Heinz Freitag. Deshalb ist für ihn klar: „Am Ende sind wir mit der Weidenhülle günstiger als mit der Kunststoffhülle. Denn sowohl Weiden als auch Sisal sind biologisch abbaubar“.

Freitag ist gerade erst mit seinen Weidenhüllen an den Markt gegangen. Wie viele dieser Hüllen können überhaupt produziert werden? „Wir gehen für die jetzt kommende Pflanzsaison Frühjahr 2022 von einer Produktionskapazität von 20 000 Stück aus“, sagt er. Später sei die Produktionsmenge auf über eine Million pro Jahr steigerbar. Im Bedarfsfall seien dann auch andere Maße möglich als die jetzigen 110 × 40 cm.

Karl-Heinz Freitag hat die Weidenhüllen entwickelt

Bei Weiden denkt man unweigerlich an Stecklinge, die immer und überall wieder austreiben. Muss man sich Sorgen machen, dass man mit den Weidenhüllen seinen Wald in einen Weidenbusch verwandelt? Dazu Karl-Heinz Freitag: „Nein, die Weiden sind alle absolut trocken. Da treibt nichts mehr aus. Außer die Forstpflanzen natürlich. Und schöner als Plastik ist‘s obendrein!“

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