Ein ganzes Leben im Kalender

Es ist eine enge und steile Treppe, die hinaufführt in den ersten Stock des Bauernhauses in Albishofen im Unterallgäu. Man muss aufpassen, dass man sich nicht den Kopf anstößt im niedrigen Treppenaufgang. Fritz Kaiser, der 72-jährige Landwirt, weiß das. „Da haben sich schon kleinere Leute als Du den Kopf angestoßen“, schmunzelt er, nachdem er zuvor gewarnt hat: „Pass auf den Kopf auf, sonst rennst an.“ Im oberen Stockwerk geht er ein paar Schritte voran, dann öffnet er eine schmale Tür und plötzlich ist der Besucher – diesmal kommt er aus der Redaktion des Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatts – in einer anderen Welt, die mit dem Wort „Büro“ oder „Arbeitszimmer“ völlig unzureichend beschrieben wäre. „Archiv“ trifft es besser, aber eigentlich ist es eine Schatzkammer von Wissen, Geschichten und Erfahrungen, gesammelt in vielen Jahren eines Lebens, das immer geprägt war von der Liebe zur Heimat und zur Landwirtschaft. Ein Ordner steht neben dem anderen, dazwischen Kartons mit Fotos, viele Mappen, sortiert nach Themen und Jahreszahlen.

In einem der Regale liegen 60 Kalenderbücher, ganz einfache Modelle aus dem Schreibwarenladen, ein schmales Hochkantformat. Für jeden Tag gibt es eine eigene Seite, die in Stunden aufgeteilt ist. Fritz Kaiser nutzt diese Kalender als Tagebücher. Seit fast 60 Jahren schreibt er alles auf, was sich getan hat, in der Familie, auf dem Betrieb, im Stall. Die Witterung wird jeden Tag notiert, die wichtigen Anschaffungen und Investitionen, aber auch Ideen zur Kommunalpolitik und zu den vielen ehrenamtlichen Aktivitäten, in denen Fritz Kaiser über Jahrzehnte tätig war. Seine Kalender sind ein Stück Landwirtschaftsgeschichte im Allgäu und ein Zeugnis der großen Veränderungen, denen sich die Bäuerinnen und Bauern in den letzten Jahrzehnten stellen mussten.