Logo bienen&natur digitalmagazin

Artikel wird geladen

Titelthema Heideimkerei

„Der Panzer war der beste Heidepfleger“

Vorne wurde etwas von der älteren Heide abgetragen, hier kann die Heide neu austreiben und honigt dann wieder besser.

Sie quält sich und versucht, sich aus dem Netz zu befreien. Doch sie wird diesen Kampf verlieren – und in diesem Spinnennetz sterben. So geht es vielen Bienen in der Heide. Die Heide ist eine Abnutzungstracht. „Deshalb ist es wichtig, gute Ableger zu haben – sie sind die Rennpferde fürs nächste Jahr“, meint Wulf-Ingo Lau und zitiert mit den Rennpferden Karl Pfefferle. Das mag überraschen, schließlich war Pfefferle doch Schwarzwälder, und der dunkle Schwarzwald passt auf den ersten Blick so gar nicht zur kargen Heide. Doch es gibt mehrere Parallelen.

Die Bienen stehen in der Heide oft in solchen „Bienenzäunen", die sie vor dem Wetter schützen.

Wir sind in Niederhaverbeck, in der Bispinger Heide, und für diese Reportage hätte es keinen besseren Gastgeber geben können: Wulf-Ingo Lau ist 59 Jahre alt, groß, blond, mit markantem Schnurrbart und ein echter Heideimker. Er begann 1977 in Celle seine Lehre zum Imker, machte später den Imkermeister und arbeitete bei Berufsimkereien in der ganzen Welt – von Kanada bis Australien. Heute ist er Bienenzuchtberater in Niedersachsen. Das Besondere an Lau: Die Geschichten sprudeln nur so aus ihm heraus, offen und ehrlich. Dabei springt er immer wieder hin und her. Will man noch etwas zur Heideimkerei im dritten Reich nachfragen, ist er schon bei den Problemen des heutigen Maisanbaus. Würde dieser Mann eine Autobiografie schreiben, ich würde sie kaufen.

Heidehonig: Eine zähe Angelegenheit

Heidehonig schmeckt herb und meist etwas bitter, die Farbe ist Rotbraun bis Beige. Eine Besonderheit des Heidehonigs ist seine Konsistenz: Er ist sehr zäh. Experten nennen das: gelatinös. Ein Vorteil: Er hält sich besonders gut als Wabenhonig, wo andere Honige auslaufen oder schmieren würden. Deshalb ist der Scheibenhonig eine beliebte Form der Ernte. Ein Nachteil der Konsistenz: Der Honig lässt sich nur schwer schleudern. Vor dem Schleudern muss man ihn mit einem Lösegerät stippen: Dabei drückt man mit einer Metall- oder Kunststoffnadel in die Honigzellen. Der Honig wird dann kurz flüssig und lässt sich schleudern. Da dieses Verfahren aufwendig ist, haben die Imker den Honig früher vor allem aus dem Wachs herausgepresst. Der Presshonig hat einen besonderen Geschmack und schmeckt in Nuancen auch noch nach Pollen und Wachs. Eine weitere Besonderheit: Heidehonig hat einen hohen Wassergehalt. Einerseits weil die Völker zur Blühzeit nicht mehr so stark sind, um ihn gut zu trocknen. Andererseits ist er wahrscheinlich so zäh, dass sie ihn nicht mehr trocknen können. Daher darf er einen höheren Wassergehalt als andere Honige aufweisen: Laut Honigverordnung 23 %, im D.I.B.-Glas darf man ihn mit höchstens 21,4 % vermarkten. Da Heidehonig sehr selten ist, bringt er den Imkern gute Preise. Pro Kilo Scheibenhonig gibt es oft 50 Euro, für ein 500-Gramm-Glas meist über zehn Euro.

Das Autothermometer zeigt 36 Grad, während uns die Klimaanlage kalte Luft ins Gesicht pustet und wir an einem Landgasthof vorbei in die Heide fahren wollen, die sich ab hier bis an den Horizont erstreckt. Doch wir müssen warten. Am Tor zur Heide sitzen drei Polizisten auf Pferden, um sie herum ein Filmteam, das wiederum von zig Schaulustigen umringt ist. Die Heide ist eine große Touristenattraktion. „Willkommen in der Heide“, sagt mein Gastgeber trocken.

Dass wir mit dem Auto in die Heide fahren dürfen, ist nicht selbstverständlich. Als Imker haben wir eine Sondergenehmigung, ansonsten müssen Autos draußen parken; Wanderer sowie Radfahrer auf den Wegen bleiben.

Bereits nach ein paar hundert Metern ist die Magie der Heide zu spüren: Grillen zirpen, das lila Heidekraut wirkt endlos, vereinzelte Kiefer-Büsche spenden kaum Schatten. Die Heide wirkt so freundlich, aber gleichzeitig einschüchternd und kahl. Hier hätte man ohne Probleme die Winnetou-Filme drehen können.

Bei den Stülpern ist das Flugloch oben, die Bienen lagern den Honig deshalb unten ein. Der Imker kann ihn so gut herausschneiden.

3 Wulf-Ingo Lau will von seinen Völkern Scheibenhonig ernten, deswegen lässt er sie im Naturbau ihre Honigwaben errichten.

Der Panzer als Helfer

Man könnte die Heide für eine Naturlandschaft halten, doch sie ist eine Kulturlandschaft, die vom Menschen gepflegt werden muss. Sonst würde sie mit Büschen und Bäumen zuwachsen. Spricht man mit Heideimkern, können sie viele Geschichten erzählen: Von Einlasskontrollen bei Offizieren auf dem Weg in die Heide, von Völkern, die an einem falschen Platz aufgestellt waren und der Panzer einfach drüber gerollt ist oder von Kästen, die von Kugeln durchsiebt waren. Lau hat dazu natürlich auch eine passende Anekdote: „Während meiner Ausbildung musste ich mal an einer kleinen Kiefer austreten. Als ich zurück zu den Bienen laufe, macht es BUMM, da hatte die Kiefer keine Rinde mehr. Da sind wohl Blindgänger explodiert.“ Solche Dinge gehören hier zum Alltag. Denn Rüstungsfirmen schossen hier ihre Panzer ein und testeten Gewehre aus. Die Bundeswehr nutzte die Heide ebenfalls als Truppenübungsplatz. In viele Gebiete dürfen Imker heute noch nur mit Termin zu ihren Bienen. Doch die friedlichen Imker profitierten vom Militär. „Die Heide muss jung sein“, erklärt Wulf-Ingo Lau. Ist sie zu alt und verholzt, honigt sie nicht mehr so gut. Deshalb ist es förderlich, wenn sie oben abgetötet wird und der Samen neu austreiben kann. „Der Panzer war der beste Heidepfleger“, sagt Lau, ohne dabei zu lachen. Bei Schießübungen mit Leuchtspurmunition fing die Heide ebenfalls gerne Feuer und brannte ab. Mittlerweile ziehen Heidschnucken-Herden (sehr anspruchslose Schafe) durch die Heide und fressen das Heidekraut oben ab, zudem gibt es Maschinen, die die alte Heide herabfräsen. „Doch Feuer ist immer besser – deshalb hat mancher Imker seine Pfeife auch gerne im trockenen Kraut ausgeleert“, sagt Lau.

Hier wächst eine junge Heidepflanze heran. Sie wird bald reichlich Nektar spenden.

Schwärme und Stülper

Früher wurde viel in Körben geimkert, nicht umsonst zieren sie das Wappen von D.I.B. und DBIB. Heute lohnen sich die Körbe kaum mehr, auch in der Heide wird mittlerweile überwiegend im Magazin geimkert. Wulf-Ingo Lau hat trotzdem noch welche. „Das ist Liebhaberei“, sagt er, packt einen Korb, dreht ihn um und lehnt ihn gegen den Oberschenkel. Bei den Körben imkert man von unten, wobei Lau hier einschränkt: „Eigentlich imkert man ja nicht viel.“ Da die Bienen im Naturbau bauen, kann man keine Waben ziehen, Querstreben aus Holz (sogenannte Speile) stabilisieren das Wabenwerk trotzdem. Da das Flugloch oben ist, bauen die Bienen nach unten, wo jetzt weißes Wachs aus der Bienentraube hervorschaut. „Hier kann man dann mit dem Messer hineinfahren und die Waben von unten herausschneiden“, erklärt Lau, kreist mit der Handfläche über die Waben und stellt den Korb wieder hin. Hier am Stand hat er vor allem Lüneburger Stülper, die für die Region typisch sind, und ein paar andere Exoten, unter anderem einen alemannischen Rumpf. „Der war ein Geschenk meines Imkerfreunds Armin Spürgin“, sagt Lau. Die Lüneburger Stülper werden aus Stroh geflochten und anschließend mit Kuhmist abgedichtet. „Die Qualität der Kuhfladen war früher besser – durch das Kraftfutter sind sie recht dünn geworden“, meint Lau, der heute noch Körbe flechtet. Das Flechten der Körbe ist eine klassische Winterarbeit. Dafür sparen sich die Heideimker mit Naturbau andere Arbeiten. „Ihr im Süden seid den ganzen Winter am Mittelwände gießen und einlöten – das braucht es alles nicht. Da sollte sich der Imker ausruhen – und Honig verkaufen“, sagt Lau. Die Lüneburger Stülper haben ein Volumen von gut 40 Litern. Das führt dazu, dass die Bienen rasch schwärmen wollen. Und wie. Früher ließen die Heideimker ihre Bienen gerne schwärmen, dann ging nicht nur der Vorschwarm ab, sondern auch mehrere Nachschwärme. „Als Imker war man da den ganzen Tag bei den Bienen und hat Schwärme eingeschlagen“, erklärt Lau. Für ein Volk hatten die Imker bis zu sieben Körbe in der Hinterhand, um die vielen Schwärme einzulogieren. „Zu Hochzeiten gab es hier wohl um die 1,4 Millionen Körbe“, erzählt Lau. So hatten sie für die Heidetracht viele Völker, die für die Einwinterung später wieder vereinigt wurden. „Heute wollen viele Imker ihr Bienenvolk wie ein Pferd halten, das jahrelang lebt. Aber man muss den Bestand auch laufend verjüngen und schwache Völker vereinen“, gibt Lau zu bedenken.

An der Seite sieht man die sechs Speile, die quer durch den Korb geben. Sie stabilisieren den Wabenbau.

Tradition und Moderne: Früher waren die Körbe in der Heide üblich, mittlerweile haben die meisten Imker Magazinbeuten. Hier ist die Segeberger Beute weit verbreitet.

Da in den Bienenzäunen zwei Etagen übereinander stehen, bleibt nicht viel Platz zum Imkern.

Auch die Schwärme selbst waren ein Geschäftszweig der Heideimker. Das weiß auch Lau noch: „Da fuhr man mit den Schwarmkisten an den Hamburger Hauptbahnhof und hat etwa 40 Mark pro Kilo Bienen bekommen“, erzählt er, „da musste man sich beeilen – denn damals fuhr die Eisenbahn noch pünktlich ab.“ Ein beliebtes Ziel der Schwärme: der Bahnhof Stuttgart. Von dort wurden die Schwärme dann im Süden verteilt, damit die Imker ihre Völkerverluste ausgleichen konnten, wenn sich die Bienen im Wald abgearbeitet hatten.

Wir schlendern etwas durch die Heide. „An guten Tagen wäre die Hose jetzt nass vom Nektar“, sagt Lau, reißt einen Halm ab und streift die Blüten mit Zeigefinder und Daumen ab. „Dann kann man den Honig so förmlich anfassen, aber momentan ist es zu trocken“, erklärt er. Damit es gut honigt, sollte die Heide früh blühen und es stets feucht haben. Dann kann es pro Tag auch mal Zunahmen von sechs bis zehn Kilo pro Volk geben. Nach etwa vier Trachttagen fehlt allerdings schon die Hälfe der Flugbienen, schätzt Lau. Auf einem Quadratmeter Heide können bis zu 60 Spinnen sitzen, dort verfangen sich die Bienen und kehren nicht mehr heim. Eine Lösung ist es, die Völker mit Flugbienen von außerhalb zu verstärken. Auch das ist eine Parallele zur Tannentracht im Schwarzwald: Hier muss man die Völker im August auch oft vereinen, zuerst um die Trachtfähigkeit zu erhalten, dann um sie überwinterungsfähig zu machen. Wie die Schwarzwälder sind die Heidjer (so nennt man die Bewohner der Lüneburger Heide) besonders stolz auf „ihren“ Honig. „Dabei macht der Heidehonig nur 0,5 Prozent der Jahresernte in Niedersachsen aus“, weiß Lau. Er selbst verkauft auch den traditionellen Scheibenhonig, eine Rarität. Abrechnen tut er in Gramm: ein Gramm kostet vier Cent.

Die Bienendichte ist in der Heide traditionell hoch. Honigt sie nicht, räubern die Bienen schnell - deshalb werden die Fluglöcher gerne eng gehalten.

Imker-Historie in der Heide

Bis Anfang der 1900er-Jahre wurde viel Heidehonig exportiert, „vor allem in Acht-Tonnen-Eichenfässern“, erzählt Lau. Die Nähe zu Hamburg war auch hier günstig, über den Hafen wurde viel Honig nach Großbritannien und die restliche Welt verschifft. Das Besondere: Der Heidehonig wurde damals zur Ernte noch erhitzt, um ihn vom Wachs zu trennen. Der eh schon dunkle Honig wurde dann noch dunkler, was bei vielen als Qualitätsmerkmal aufgefasst wurde. Durch den Export gab es immer genug Nachfrage, deshalb wurde die Heide zur Hochburg der Berufsimkerei. Nicht umsonst wurde der DBIB in Soltau gegründet, die Berufsschule für Imker ist noch heute in Celle.

Früher wanderten die Imker noch mit Pferdekarren in die Heide, später mit dem LKW. Da war es keine Seltenheit, wenn über hundert Völker an einem Fleck standen. Sogenannte Bienenzäune, die nur nach vorne hin offen sind, schützen die Bienen hier vor dem Wetter. Um unkontrollierte Aufwanderungen zu vermeiden, wurden 1952 Wanderregeln eingeführt. Heute ist es schwer, einen Platz in der Heide zu bekommen. „Die werden in den Imkergeschlechtern oft weitervererbt“, sagt Lau. Dass er immer wieder von Imkergeschlechtern spricht, zeigt, welchen Stellenwert die Imkerei in der Heide schon immer hatte.

Es ist mittlerweile 16:00 Uhr, wir verabschieden uns auf dem Parkplatz und Wulf-Ingo Lau gibt mir ein Glas Heide-Presshonig (war super lecker und nach einer Woche leer) mit auf den Weg. Ich hatte natürlich auch ein Gastgeschenk dabei: Ein Glas vom frischen Tannenhonig. Es lebe die nord-süddeutsche Freundschaft!

Digitale Ausgabe bienen&natur

Holen Sie sich noch mehr wertvolle Fachinfos.
Lesen Sie weiter in der digitalen bienen&natur !

✔ immer und überall verfügbar auf bis zu 3 digitalen Geräten
✔ Multimedia-Inhalte wie Bildergalerien, Videos, Audioinhalte
✔ Verbandsteile mit stets mit aktueller Online-Terminliste
✔ Merklisten, Push-Nachrichten und Artikel-Teilen