Reportage
Von Beruf Imkerin: Königinnen im Blick
Die Sonne hat ihren Zenit erreicht, und es summt emsig in den blühenden Obstbäumen auf dem Gelände des Immenhofs. Die Berufsimkerei im unterfränkischen Lengfurt liegt im Maintal, inmitten einer geschwungenen, von Weinbergen umsäumten Landschaft am Rand des Spessarts. Der Kopf der modernen Imkerei ist eine junge Frau. Die braunen Haare im Nacken fest zum Zopf gebunden, umschwirren an den Stöcken Hunderte von emsigen Bienen ihren weißen Imkerhut. Die Handgriffe sind eingespielt, routiniert und ruhig – kein Wunder, denn ich sehe einer jungen, aber sehr erfahrenen Berufsimkerin zu, die sich gerade um die Pflegevölker ihres betrieblichen Herzstücks kümmert.
Der Familienbetrieb von Dorothea Heiser gilt deutschlandweit als einzige professionelle Imkerei, die eine sehr aufwendige Nische besetzt: die Produktion und Vermarktung von Gelée royale. Dem reichhaltigen Futtersaft eilt der Ruf voraus, mit seinen Aminosäuren und Vitaminen nicht nur die Gesundheit zu verbessern, sondern als Kosmetikprodukt auch verjüngend zu wirken. Seit 2016 führt die 38-Jährige hauptverantwortlich den elterlichen Betrieb.
Der Weg zur Berufsimkerei
Mit einem Gedicht von Hilde Domin als persönlichem Leitspruch, nie die eigene Richtung zu verlieren, stellte sich Dorothea Heiser mit Anfang 20 auf einer digitalen Plattform für süddeutsche und österreichische Imkerinnen vor. Und diese Richtung hat sie bisher erfolgreich beibehalten. So führt die mittlerweile mit Imkermeister Markus Nürenberg verheiratete Mutter eines kleinen Sohnes den Betrieb sehr erfolgreich in zweiter Generation. In ihrer Imkerei wird nachhaltiges und umweltschonendes Arbeiten im Einklang mit der Natur der Bienen großgeschrieben, und es werden qualitativ hochwertige Bienenprodukte vermarktet. Allem voran steht Heisers Name, der inzwischen bundesweit mit dem Vertrieb von hofeigenem Gelée royale verknüpft ist.
„Wer wie die Biene wäre, die die Sonne auch durch den Wolkenhimmel fühlt, die den Weg zur Blüte findet und nie die Richtung verliert,dem lägen die Felder in ewigem Glanz, wie kurz er auch lebte.“
Hilde Domin, 1909–2006
Die Gebäude des Immenhofs wurden von den Eltern Ingrid und Heinrich Heiser zwischen 1989 und 1991 gebaut, nachdem es in den ehemaligen Räumlichkeiten für die wachsende Familie, die Bienen und den Honig zu eng wurde. Seitdem wandelte sich die Imkerei zu einem technisch hochfunktionalen Betrieb mit rund 40 Jahren Erfahrung.
Ein Selbstverständnis war es für Dorothea Heiser zu Beginn ihres Berufslebens nicht, den Familienbetrieb einmal in Eigenverantwortung zu führen. Obwohl oder vielleicht gerade, weil die Bienen, wie Heiser erzählt, ja „immer da“ gewesen sind. Die Ausbildungsjahre zur Industrie-Kauffrau lösten bei Heiser jedoch eine neue Wertschätzung aus für die naturverbundene und abwechslungsreiche Tätigkeit der Eltern. Oft lernt der Mensch erst etwas zu schätzen, wenn er es nicht mehr hat. Die Arbeitstage von Vater Heinrich glichen sich nie, ganz im Gegensatz zu Dorotheas immer gleichen Arbeitstagen im Büro. Wie stark ihr Bedürfnis war, draußen in der Natur zu sein, wurde ihr in diesen drei Jahren immer klarer. So begann sie, in der Imkerei mitzuhelfen, eigene Ideen einzubringen und fand schnell heraus, wie befriedigend die Arbeit mit und in den Jahreszeiten für sie war. „Einen Betrieb mitzugestalten und dafür auch ein direktes und persönliches Feedback von unseren Kunden zu erhalten, macht mir Freude“, sagt Heiser, „und auch zu sehen, wie unsere Produkte im Jahresverlauf nach und nach entstehen und sich entwickeln. Das überzeugt mich immer wieder hundertprozentig von meinem Beruf“, ergänzt sie lächelnd.
Lehrzeit in Italien
Heiser machte Nägel mit Köpfen und absolvierte zunächst eine Ausbildung zur Tierwirtin im LAVES Bieneninstitut in Celle, die sie mit Jahrgangsbestnote abschloss. Doch bevor sie nach Unterfranken zurückkehrte, wollte sie ihre Fühler noch anderweitig ausstrecken: Und so arbeitete sie ein Jahr lang in dem toskanischen Imkerei-Betrieb Pasini mit, der sich auf Königinnenzucht und Gewinnung von Gelée royale spezialisiert hat. So schulte sie in Italien, einem Land, das Heiser sehr gern bereist, nicht nur ihre sprachlichen Kenntnisse, sondern erlernte auch ihre künftige imkerliche Spezialisierung: Ausgestattet mit neuer Muskelkraft, Praxiserfahrung und viel Fachwissen für die Gewinnung und Vermarktung des Weiselfuttersaftes stieg sie – wieder daheim – aktiv in den Familienbetrieb ein.
Reine Männerdomäne?
Dass Vater Heinrich seinen drei Töchtern durch die aktive Einbindung ins Betriebsgeschehen von klein auf ein gesundes Selbstvertrauen mitgegeben hat, ist allen zugutegekommen. Nicht ein einziges Mal habe Dorothea einen Gedanken darauf verwendet, ob sie sich in der von Männern dominierten Berufsimkerei behaupten kann. Die Leidenschaft für die Arbeit mit den Bienen ließ keinen Zweifel an dem gewählten Weg zu, und das trotz der langen Arbeitstage und der auch körperlich schweren Arbeit. „Die Leidenschaft ist Voraussetzung für Erfolg in diesem Beruf“, sagt Heiser. „Ich habe schon den Anspruch, sämtliche Arbeiten im Betrieb selbst zu beherrschen und meine Geräte aus dem Eff-Eff zu kennen.“ Und mit viel Training und der richtigen Technik können auch Frauen schwere Honigzargen stemmen. „Manchmal gibt es auch lustige Erlebnisse, vor allem mit männlicher Kundschaft, die in den Betrieb kommt und uns z.B. bei der Jungvolk-Vorbereitung trifft. Manche halten mich dann für die Praktikantin und wollen den Chef sprechen.“ Darüber muss die junge Unternehmerin schmunzeln. Heiser weiß, was sie kann, auch wenn viele kraftraubende und technische Arbeiten inzwischen Ehemann Markus übernimmt.
Stütze Familienbetrieb
Dennoch, bekräftigt sie, hätte die Imkerei nicht bereits als funktionierender Betrieb dagestanden, so wäre ihre berufliche Entscheidung sicher anders ausgefallen. Ein eigenes Unternehmen aufzubauen und mit Erfolg zu führen, ist nochmal etwas anderes. Der immense Aufwand an Kraft, Energie und letztlich auch die finanziellen Mittel hätte sie sich als alleinstehende Frau nicht zugemutet. So fußte alles auf der Vorarbeit und Unterstützung ihrer Eltern, sowie der damaligen Weitsicht von Vater Heinrich, bereits 1977 auf Direktvermarktung zu setzen. „Wenn man sieht, dass Direktvermarktung regionaler Produkte heute mehr denn je nachgefragt wird, war das damals genau die richtige Entscheidung“, sagt Heiser und betont, dass sie – als nächste Generation – den bestehenden Familienbetrieb nur fortführt, wenn auch auf ihre eigene Art und mit erforderlichen technischen Neuerungen. So ist die Palette auf Propolis-Produkte, Blütenpollen, Bienenwachskerzen und Gelée Royale angewachsen, ein Online-Shop und Social-Media-Kanäle sind entstanden, und für alle Produkte gibt es einheitliche Etiketten im Corporate Design. Ein Betrieb müsse sich einfach den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Die Erntegebiete der inzwischen zehn Honigsorten reichen mittlerweile von der Hocheifel und dem Mittelrheintal, über die Pfalz, bis ins heimatliche Unterfranken. Daneben war Dorothea Heiser lange als Fachreferentin für imkerliche Themen wie Gelée-Royale-Gewinnung oder Bestäubung sowie im Prüfungsausschuss für angehende Imker-Meister gefragt. Derzeit allerdings liegt der Fokus aufgrund der Pandemie-Situation auf alternativen Vermarktungsmöglichkeiten sowie ihrem Nachwuchs. Immerhin führte der winterliche Lockdown 2020 dazu, dass die junge Mutter zum ersten Mal Weihnachtsplätzchen backen und die Vorweihnachtszeit anders fürs Geschäft nutzen konnte, anstatt Märkte zu koordinieren. „Ich bin wirklich sehr dankbar, dass ich Familie und Beruf in dem Betrieb und mit meinem Mann so gut zusammenbringen kann“, freut sich Heiser. „Wir beide leben für die Bienen, können in unserem Traumberuf gemeinsam arbeiten, uns austauschen und viel Zeit miteinander verbringen. Und unser Sohn ist auch versorgt, denn es sind ja alle Familienmitglieder immer vor Ort.“ Heiser weiß, dass das einem Privileg in der heutigen Zeit gleichkommt. Auch wenn der Familienbetrieb in seiner Spitzenzeit im Winter mit normalerweise sechs Weihnachtsmärkten und zusätzlichen 20 Teilzeitkräften auf die Belastungsprobe gestellt wird, so kann vor allem in den Frühlings- und Sommermonaten, wenn draußen gearbeitet wird, die Familie zusammen sein.
Weiselrichtiges Pflegevolk
Heiser erlernte ihre Techniken und Methoden während ihres Auslandsjahres in der toskanischen Provinz von Grosseto und passte das Erlernte an die heimische Betriebsweise an. Die italienische Aufzuchtmethode geht auf einen der ehemals größten Königinnenzüchter Europas, Giulio Piana, zurück, der ebenfalls in einer Berufsimkerei im Familienbetrieb aufwuchs. Königinnen aus der Imkerei Piana Miele waren damals weltweit gefragt und brachten den rüstigen Italiener in den 1970er Jahren bis nach Libyen und Neu Guinea, wo er vor Ort Kurse in Imkerei und Zucht gab. In Italien ist die Gewinnung von Gelée royale generell stärker verbreitet als in Deutschland. Ebenso gibt es weitaus mehr Berufsimkereien, während in Deutschland die Bienenhaltung eher als Hobby betrieben wird.
Die Pflegevölker stehen bei Heisers auf dem Betriebsgelände: So sind die Wege kurz für die regelmäßigen Eingriffe. Bei der Auswahl geeigneter Völker müssen Volksstärke, Futterversorgung, Bienendichte und auch eine optimale Alterszusammensetzung von Ammen- und Flugbienen stimmen. „Diese Bedingungen findet man im weiselrichtigen Volk“, so Heiser. „Aber auch die Sanftmut der Pflegebienen spielt eine wichtige Rolle, denn wir müssen hier ja viel häufiger eingreifen und die Völker öffnen. Und das ist natürlich einfacher, wenn man dabei nicht daueralarmierte Wächterbienen in Schach halten muss.“ Weil in der Imkerei Heiser ausschließlich mit der Carnica-Biene gearbeitet wird, kommt auch von ihr das Gelée royale. Auch wenn sich andernorts mit speziellen Zuchtlinien, wie etwa bestimmten auf Gelée-royale-Gewinnung gezüchteten Ligustica-Völkern, nachgewiesen höhere Erntemengen erzielen lassen, ist es für Dorothea Heiser so praktikabler: „Da wir auch Zucht betreiben und gleichzeitig unsere Wirtschaftsköniginnen standbegatten lassen, kann und will ich keine zweite Rasse auf dem Hof halten.“
Alle drei Tage ans Volk
Ab dem zweiten Tag nach seiner Bildung wird dem Pflegevolk alle 72 Stunden der Zuchtrahmen entnommen und durch einen frisch belarvten ersetzt. Dieser Ernterhythmus ist sinnvoll, da die Weiselzellen in diesem Zeitfenster den höchsten Füllstand an Gelée royale erreicht haben. Nach ein bis zwei Serien sind die Völker in der Regel im Pflegemodus und können für die Gelée-royale-Gewinnung mit 30 bis 90 Zellen ausgestattet werden. Zum Vergleich: Für die Königinnenzucht reichen 14 bis 28 Zellen.
Die Ernte des Gelée royale erfolgt mithilfe einer von Dorothea Heiser entwickelten Apparatur, die mit Unterdruck zunächst die Königinnenlarven und anschließend den Futtersaft separat aus den Zuchtnäpfchen absaugt. Gelagert wird der Weiselfuttersaft im Violett-Glas und eisgekühlt an die Kunden verschickt.
Aus Überzeugung naturnah
Familie Heiser hat sich bewusst einer nachhaltigen, naturnahen Arbeits- und Betriebsweise verschrieben: Die mit Leinöl eingelassenen Bienenkästen stammen aus eigener Fertigung mit regionaler Weymouthskiefer. Fünf große Sonnenwachsschmelzer mit Fassungsvermögen von acht Rähmchen versorgen die Imkerei mit dem nötigen Bienenwachs aus dem eigenen Kreislauf. Der Honig wird in einem Gang geschleudert, gesiebt und cremig gerührt, direkt ohne Wiedererwärmung ins Endgebinde abgefüllt. Alles erfolgt im Hinblick auf ein qualitativ hochwertiges Endprodukt. Gegen Varroa wird nur mit organischen Säuren behandelt. Mit Mehrweggläsern, Ökostrom und recycelten Kartonagen wollen die Heisers einen weiteren Beitrag für eine ressourcenschonende Arbeitsweise leisten. „In der Imkerei haben wir das Glück, eine Wertschöpfung von Anfang bis Ende zu begleiten. Unsere alljährlichen Arbeiten, unsere Ernte, hängt direkt mit den Geschehnissen in der Natur zusammen. Da kommen wir gar nicht drumherum, uns für die natürlichen Zusammenhänge zu sensibilisieren“, so Heiser. Sie jedenfalls empfindet eine große Zufriedenheit darüber, dies und ihre Leidenschaft für die Bienen zu einem Beruf verbinden zu können.
Gelée-Royale-Gewinnung im Video
So wird der Weiselfuttersaft in der Imkerei Heiser gewonnen.
Dauerzucht in einem weiselrichtigen Pflegevolk
- Hat ein weiselrichtiges Volk einmal mit der Pflege begonnen, lässt sich die Aufzucht von Weiselzellen meist problemlos über die gesamte Saison fortführen. Nur darf dann keine Pflegepause entstehen.
- Es müssen keine Vollvölker entweiselt oder andere Wirtschaftsvölker durch ständige Brutentnahme geschwächt werden. Der Nachschub an Ammenbienen kann durch einfaches Umhängen schlupfreifer Brutwaben von unten nach oben erfolgen.
- Bei Tracht können die Pflegevölker ihren Honigraum behalten, z. B. bei Raps-Tracht.
- Es kann ohne Starter gearbeitet werden.
- In einem weiselrichtigen Volk sind die gepflegten Zellen größer und gleichmäßiger als im weisellosen – sie haben Schwarmzellencharakter, und die Larven wachsen zu großen, schönen Königinnen heran. Werden sie angenommen, ist die Versorgung stets sehr gut! Man sieht es deutlich nach dem Schlupf der Königinnen, wenn in der Zelle noch Gelée-royale-Reste übrig bleiben.
Mehr Infos zu dieser Pflegemethode auf der Homepage der Imkerei Heiser: www.heiserimkerei.de
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