Stressfrei melken
Auf den Punkt
- Damit das Melken zügig vorangeht, ist auch der Wartebereich entsprechend zu gestalten.
- Die Eutergesundheit ist ein wichtiger Faktor für einen effizienten Melkablauf.
- Sowohl der Boden im Warte- als auch im Melkbereich sollte klauenfreundlich sein
Beim Melken geht es um das Wohlbefinden und die Gesundheit der Kühe genauso wie um die Funktionssicherheit und Effizienz. Das Melken sollte für das Einzeltier nicht länger als 60 Minuten je Melkzeit beanspruchen. Dabei unterstützen ein ausreichend breiter Zutrieb ohne Stufen und rechtwinklige Kurven.
Während vor einigen Jahren die maximale Auslastung von automatischen Melksystemen (AMS) diskutiert wurde, wird heute immer öfter gezielt eine Unterlastung der Systeme eingerichtet. Ein zusätzliches Melksystem erzeugt zunächst hohe Investitionskosten, aber dafür sinkt der Aufwand für das Nachtreiben der Kühe. Auch wenn es inzwischen möglich ist, Tiere mithilfe von Ortungssystemen leichter zu finden, kostet das Holen der Tiere mit überfälligem Melkanrecht viel Zeit. Die individuellen Einstellungen der Melkanrechte entscheiden mit über die Systemauslastung. Da das Lockfutter im AMS sehr attraktiv ist für die Kühe, kommt es zu vielen erfolglosen Besuchen ohne Melkanrecht, die aber dem System Kapazität rauben. Optimal eingestellt berücksichtigt das System nach Einschätzung der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) Bayern eine Mindestzwischenmelkzeit von 7 Stunden und eine Mindestmilchmenge von 8 kg. Um Pansenübersäuerung zu vermeiden, sollten die Tiere je Melkbesuch maximal 2 kg Kraftfutter erhalten. Das passt auch zur Aufenthaltsdauer und Fressgeschwindigkeit der Tiere.
Wartebereich ist der Schlüssel
Der Wartebereich sollte nicht nur groß genug (mindestens 1,8 m² je Kuh) und mit rutschsicheren Böden ohne klauenschädliche Kanten ausgeführt, sondern auch klimatechnisch gut gestaltet sein. Die technischen Möglichkeiten reichen von Ventilatoren, die gleichzeitig den Insektendruck verringern, bis zu Kuhduschen oder Wasserverneblern. Deren Einsatz endet nicht beim Warteraum, sondern erstreckt sich am besten auch in den Melkbereich selbst.
Wartebereiche werden in Roboterbetrieben häufig mit Spaltenböden ausgeführt, um eine gute Sauberkeit ohne stationäre Entmistungsanlagen zu gewährleisten. Es bietet sich an, hier einen Querkanal einzuplanen. Wird es im Winter sehr kalt, kann es zum Auffrieren von Kot auf den Spalten kommen. Dadurch wird der Untergrund uneben und rutschig, was im Melkwarteraum sehr ungünstig ist. Ein Lösungsansatz sind Spalten mit integrierten Edelstahlrohren, die in zwei Kreisläufen ans Warmwasser aus der Milchvorkühlung angeschlossen wurden. Dadurch gelingt es, den Wartebereich frostsicher zu halten, was bei mehrhäusigen Ställen eine besondere Herausforderung darstellt.
Wird im Wartebereich vor automatischen Melksystemen ein Querkanal eingebaut, ist dort der ideale Platz für den Mistabwurf der Schieber aus den Laufgängen. Die Abwürfe können dort problemlos eingeplant werden. Voraussetzung sind gleichmäßig ausgelastete Systeme, sodass sich nie zu viele Tiere im Wartebereich befinden.
Eutergesundheit überwachen
Ein frühzeitiges Erkennen von Eutergesundheitsstörungen ist besonders in automatisierten Melksystemen wichtig, wo die melkende Person zur Vorgemelkskontrolle durch Sensortechnik ersetzt wird. Das Zellzahlmonitoring als Schlüsselindikator für die Eutergesundheit erfolgt hier entweder auf Basis des Gesamtgemelks oder viertelindividuell. Weitere Parameter, die sensorgestützt erfasst und bewertet werden können, sind elektrische Leitfähigkeit, Milchfarbe und -temperatur oder Laktosekonzentrationen. Durch die Kombination unterschiedlicher Parameter lässt sich der Anteil falsch positiver oder falsch negativer Befunde verringern.
Letztlich hängt der Erfolg bei der Mastitisfrüherkennung von den betriebsindividuellen Einstellungen ab. Zur Überwachung des Tierwohls erarbeitete das Projekt Q-Check ein Indikatorenset, das auf vorhandene Daten unter anderem aus der Milchkontrolle zurückgreift (siehe Tabelle „Q-Check-Indikatoren“ auf Seite 27). Um Neuinfektionen durch kuhassoziierte Erreger zu vermeiden, sollte man das Melken mit gesunden und jungen Tieren beginnen und erkrankte Tiere möglichst zum Schluss melken. Ist dies nicht umsetzbar, empfiehlt sich eine Zwischendesinfektion der Melkzeuge, die in manchen automatischen Melksystemen bereits integriert ist. In den letzten Jahren sind umweltassoziierte Keime bedeutender geworden und so wird im Zusammenhang mit der Eutergesundheit vermehrt auf Laufgang- und Liegeboxenhygiene geachtet.
Um Eutergesundheitsstörungen vorzubeugen, ist zu empfehlen, die Zitzenkondition nach dem Melken regelmäßig zu beurteilen. Dabei wird auf Symptome wie Verfärbungen, Blutungen, Ödeme und Ringbildungen geachtet. Sie weisen darauf hin, dass das Gewebe um den Zitzenkanal oder die Strichkanalöffnung zu stark beansprucht werden.Nach dem Melken sind die Zitzen routinemäßig zu desinfizieren, denn die Strichkanäle sind dann noch geöffnet und Erreger können leichter in die Zitze eindringen.
Das Euter in Betrieben mit AMS zu kontrollieren oder zu behandeln, gestaltet sich manchmal problematisch. Am besten wird bereits beim Stallbau daran gedacht. Dann kann man beim AMS oder im Selektionsbereich eine Melkgrube einrichten.
Boden klauenfreundlich gestalten
Steile Fischgräten- oder Side-by-side-Melk stände ermöglichen einen schnellen Austrieb der Tiere. Was günstig für die Dauer der Gruppenwechsel ist, kann Nachteile für die Klauen mit sich bringen, da die Tiere häufig mehrere 90-Grad-Drehungen auf dem Boden durchführen müssen. Da Böden gleichzeitig rutschsicher und reinigungsfreundlich sein sollen, kommen im Melkstand häufig Epoxidharzböden zum Einsatz. In Kombination mit den durch die Baukonstruktion bedingten Wendungen der Tiere kann dies zu übermäßigem Klauenabrieb führen, wie eine Studie zeigte (siehe Grafik „Auf die Trachtenhöhen achten“). Dabei wurde die Klauenform von Fleckviehkühen in einem Praxisbetrieb vor und nach der Installation von elastischen Melkstandgummimatten in einem steilen Fischgrätenmelkstand untersucht. Bei den Klauenparametern Trachtenhöhe und Dorsalwandwinkel gab es im Melkstand mit Epoxidharzbelag deutliche Abweichungen zu den Referenzwerten aus der Literatur. So war die Trachtenhöhe bei 87 Prozent der untersuchten Kühe deutlich zu niedrig. Vier Monate nach Einbau von Gummimatten lag die Trachtenhöhe bei 77 Prozent der Kühe wieder im Zielbereich.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Bodenausführung im Melkstand einen entscheidenden Einfluss auf die Klauenform haben kann. Eine physiologische Klauenform ist wichtig für korrekte Belastungsverhältnisse. Besonders bei der Vorbeuge von infektiösen Klauenerkrankungen wird eine möglichst große Trachtenhöhe angestrebt, damit der gefährdete Ballenbereich Abstand zur verschmutzten Lauffläche erhält.
Gummibeläge in Melkständen werden in der Praxis kontrovers diskutiert, wobei es vor allem um die Hygiene geht. Grundsätzlich sollten Melkstände nach der Benutzung gründlich gereinigt werden. Zusätzlich sollten regelmäßig im Wechsel alkalische und saure Reinigungsmittel auf den Böden eingesetzt werden, die zum Beispiel mit einer Schaumlanze am Hochdruckreiniger aufgebracht werden können. Es ist hilfreich, Gummimatten nur einseitig zu verschrauben, sodass man sie für Reinigungsarbeiten hochklappen kann.
Auf Lichtverhältnisse achten
Am besten ist es, wenn der Melkbereich so wenig wie möglich verschmutzt. Dazu trägt stressfreies Melken bei. Aufgrund der Physiologie des Rinderauges ist darauf zu achten, dass man große Lichtunterschiede beim Zutrieb und im Eingangsbereich vermeidet, denn die Hell-Dunkel-Anpassung ist beim Rind langsamer als beim Menschen. Folglich sollten Zutrieb, Warte- und Melkbereich sowie Austrieb gleichmäßig hell ausgeleuchtet sein. Als Richtwert werden 200 Lux empfohlen.
Ein rutschsicherer Boden trägt ebenfalls zu einem ruhigen Melkablauf bei. Beim Verlassen eines Melkkarussells ist dies besonders wichtig, weil die Kühe rückwärtsgehen müssen, während sich das Karussell weiterdreht. Die Positionierung der Kühe beim Melken ist nicht ganz einfach, da die Größenunterschiede recht hoch sind. Der Grund dafür liegt in der Altersstruktur der Herden, in denen frühe Erstkalbealter genauso gewünscht sind wie lange Nutzungsdauern. Im Melkkarussell kann ein Bügel die Reichweite der Kuh nach vorne begrenzen, der individuell von der melkenden Person angepasst wird und gleichzeitig den Austrieb unterstützt.
Kuhgebundene Kälberaufzucht und Melken – wie funktioniert das?
Es gibt schon einige Milchviehbetriebe, die die frühe Trennung von Kalb und Kuh vermeiden. Milchproduktion und kuhgebundene Kälberaufzucht lassen sich auf unterschiedliche Art und Weise realisieren. Eine Möglichkeit ist ein temporärer Kontakt von Kuh und Kalb nicht vor, sondern nach dem Melken. Dafür lässt sich zum Beispiel der Melkwarteraum nach dem Melken als Begegnungsraum für Kühe und Kälber nutzen.
Integrierte Klauenwaschanlagen
Der Melkbereich eines automatischen Melksystems ist ideal zum Reinigen und Desinfizieren der Klauen, da die Tiere ausreichend lange verweilen, damit ein Biozid einwirken kann. Allerdings sollte der Vorgang für die Tiere angenehm sein, damit es den Melkprozess nicht beeinträchtigt. Dafür ist es wichtig, dass die Reinigung mit geringem Wasserdruck erfolgt. Erst anschließend ist die Applikation eines zugelassenen Biozids zur Vorbeuge von infektiösen Klauenerkrankungen sinnvoll. Klauenwaschanlagen sind in verschiedenen Systemen nachrüstbar oder werden direkt bei der Installation vorgesehen. Die Stärke des Systems liegt im regelmäßigen Anwenden, sodass, auch wenn die Klauenposition nicht jedes Mal optimal ist, von einer hohen Effektivität auszugehen ist.
Was zeichnet gutes Melken aus?
Der Melkablauf ist wichtig, Eutergesundheit und Produktivität gleichermaßen. Daher gilt es, den Melkprozess regelmäßig zu überprüfen. Zusätzlich zu den Milchinhaltsstoffen und der Zitzenkondition kann man am Tierverhalten ablesen, ob der Melkprozess in Ordnung ist oder ob es nachzubessern gilt. Eine hohe Wiederkauaktivität, geringe Abwehrbewegungen und geringes Abkoten sind Hinweise für einen guten Melkprozess. Tiere mit eingekniffenen Schwänzen oder solche, die den Melkbereich hektisch verlassen, deuten auf Handlungsbedarf hin. Während des Melkprozesses sollte auf einige Indikatoren geachtet werden, die einen guten Melkprozess charakterisieren (siehe Tabelle „Woran erkenne ich gutes Melken“). (mp) ●
Karussell statt Melkroboter
Für Steffi und Rainer Schreck war klar: Gemolken wird im Melkstand. Ist die Melkarbeit erledigt, ist sie auch aus dem Kopf. Dabei schafft eine Person 200 Kühe in zwei Stunden.
Auf die Frage, warum sie sich für ein Karussell entschieden haben und nicht etwa für einen Melkroboter, reagieren Steffi und Rainer Schreck schon fast ein bisschen genervt. „Die Frage bekommen wir oft und wir hatten bei der Planung des Stalls im Jahr 2018 auch an Melkrobotertechnik gedacht“, erklärt der Milchviehhalter, doch dann habe sich für sie schnell herausgestellt, dass die Technik für sie nicht passt. „Wir hatten uns im Vorfeld mit Roboterkollegen unterhalten. Die sagten uns, dass man 24 Stunden am Tag abrufbar sein muss. Das wollten wir nicht“, erklärt Steffi Schreck die Entscheidung. „Wir melken zweimal am Tag zwei Stunden und reinigen jeweils eine halbe Stunde und dann ist die Arbeit für uns erledigt und das Melken ist aus dem Kopf.“ Dabei war das Entscheidende für die Familie, dass eine Person das Melken erledigen kann. „Wir haben uns verschiedene Systeme angesehen, sowohl Gruppenmelkstände als auch Innenmelkerkarusselle, aber wir fanden, dass es im Außenmelker am besten funktioniert, allein zu melken“, erklärt die 39-Jährige. Die durchschnittliche Milchleistung liegt bei rund 28 l Milch (bei 4 Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiß). Seit 2019 melkt sie jetzt im 32er-Außenmelkerkarussell rund 200 Kühe in zwei Stunden. Damit das funktioniert, befindet sich vor dem Ausgang ein Dipproboter, der die Zitzen zum Schluss einsprüht. „Die Technik ist simpel. Mittels Lichtschranken weiß das System, ob sich eine Kuh auf dem Melkplatz befindet und ob das Melkzeug abgehängt ist. Wenn das der Fall ist, fährt der Roboterarm aus und sprüht das Dippmittel auf das Euter“, erklärt der Landwirt das System. Die Trefferquote läge bei rund 90 Prozent. Das hätten Forscher auf ihrem Betrieb ermittelt.
Rund 25 ml Dippmittel werden pro Besuch versprüht. „Wir benötigen etwas mehr Flüssigkeit und die Technik schafft keine 100 Prozent, aber sie ermöglicht uns das Melken mit einer Person und kostete rund 8.000 Euro“, erklärt Schreck. Dass die Dippautomatik nötig ist, hätten sie gesehen, als sie kürzlich ausgefallen war. Da gingen die Zellzahlen schnell in die Höhe. In der Regel lägen diese zwischen 150.000 und 200.000 Zellen/ml Milch.
Mittels Display hat die Milchviehhalterin jeden Melkplatz im Auge, auch wenn er sich auf der anderen Seite befindet. „Tritt eine Kuh das Melkzeug herunter, schließe ich den Platz und sie macht eine zweite Runde. Ich muss keinem Tier hinterherlaufen“, erklärt sie. Das System informiert über die Leitfähigkeit der Milch und gibt der Landwirtin bei Überschreiten des Grenzwerts ein rotes Signal auf dem entsprechenden Melkplatz.
Die kurze Melkzeit erklärt sich aber auch durch die Organisation im Stall. Während Steffi Schreck melkt, treibt ihr Mann Rainer die Kühe in den Vorwartehof, zuerst die Hochleistenden, danach die Niederleistenden und zum Schluss die Kühe mit besonderen Ansprüchen, wie zum Beispiel Kannenmelker. „Bei der dritten Gruppe hilft Rainer im Melkstand mit. Da kann es mitunter etwas hektischer werden, wenn man allein ist“, erklärt die Milchviehhalterin.
Der Landwirt kommt insbesondere im Winter gerne einmal in den Melkstand. Der Stall ist als offener Couchettenstall ausgelegt und da ist es in der kalten Jahreszeit manchmal etwas ungemütlich. „Nicht für die Tiere, denen geht es bei minus 20 °C immer noch gut, aber ich komme dann gerne einmal in den von der Biogasabwärme aufgeheizten Melkstand“, erklärt der 41-Jährige. (mp)
Prof. Dr. Barbara Benz
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
E-Mail: barbara.benz@hfwu.de
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