Zahlungsfähig bleiben
Wie lassen sich finanzielle Engpässe beim Neu- und Umbau vermeiden?
Finanzielle Engpässe lassen sich oft vermeiden, wenn man vernünftig plant. Man sollte zuerst einmal wissen, wie viel Geld man in den nächsten Monaten und Jahren zur Verfügung hat. Eine vernünftige Liquiditäts- und Baukostenplanung gehört zu den wichtigsten Punkten, um zu wissen, welche Investition möglich ist. Kernpunkte bilden eine genaue Kostenanalyse und eine gesunde Liquiditätsreserve. Auch wenn die Bank versucht, Druck aufzubauen, sollte man das Darlehen nicht auf zu kurze Laufzeiten ansetzen. Landwirte sollten sich gut beraten lassen, wenn sie sich unsicher bei ihrem Bauvorhaben sind. Wenn es günstiger für meine Liquidität ist, ein Bauvorhaben über 30 und nicht über 20 Jahre zu finanzieren, sollte man die Laufzeit mit der Bank verhandeln.
Wie viel Eigenkapital sollten Bauherren vorhalten?
Früher gab es die goldene Finanzierungsregel, dass man mindestens 20 bis 30 Prozent Eigenkapital mit einbringen sollte. Diese Liquiditätsreserven gibt es allerdings sehr selten auf Betrieben. Man sollte sich daher vorher bewusst machen, ob man das Bauvorhaben überhaupt finanzieren kann. Das ist leider nicht auf jedem Betrieb der Fall.
Wie kann ich das Risiko bei unsicheren Faktoren vor dem Bau minimieren?
Dieser Faktor gehört zum unternehmerischen Risiko. Es ist sehr schwierig, sich über einen Zeitraum von zehn Jahren vernünftig abzusichern. Das sieht man beispielweise an der Zinslage. Die war in den vergangenen Jahren nicht planbar. Zwar gab es in den letzten 20 Jahren eine Rückwärtsentwicklung, in der sich die Zinsen nachhaltig nach unten entwickelt haben. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es auf ewig so bleibt. Es ist aufgrund der aktuellen Marktlage schwierig, genau vorauszusagen, in welche Richtung sich das Zinsniveau in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird. Im Zweifelsfall sollte man sich eine Liquiditätsreserve anlegen oder mit der Bank nachverhandeln.
Wie hoch sollte eine solche Reserve sein?
Jeder Unternehmer sollte für sich immer zwei bis drei Milchgelder liegen haben. Das bezieht sich nicht nur auf Investitionen, sondern auch auf mögliche unvorhergesehene Betriebsausgaben. Dazu gehören beispielsweise Futtermittelknappheit durch Dürren und Nässe, Reparaturen oder weitere ungeplante Kosten oder auch sinkende Milchpreise. Es fällt zwar schwer, Geld zurückzulegen, wenn man dafür keine Rendite bekommt. Aber es wäre unklug, kein Geld vorhalten zu können und sein gesamtes Geld in Umlauf zu bringen.
Sollte man seine Investition bei den zurzeit hohen Baukosten nach hinten verschieben?
In den letzten 15 Jahren sind die Baukosten immer weiter gestiegen. Ich halte es daher nicht für realistisch, dass sie in den nächsten Jahren rapide sinken. Bei Investitionskosten von derzeit bis zu 15.000 Euro pro Kuhplatz sollte man sich aber vorher genau überlegen, ob es Alternativen gibt. Landwirte können zum Beispiel prüfen, wie sinnvoll es ist, den Stall zu modernisieren und nicht komplett neuzubauen. Falls es die Möglichkeit gibt, einen bereits vorhandenen Stall zu pachten oder zu kaufen, kann das immer noch günstiger sein als ein kompletter Neubau. Auch hier gilt, dass Landwirte sich bewusst machen müssen, ob dieser Schritt finanziell machbar ist.
Welche finanziellen Hilfen können Landwirte nutzen, wenn beim Bau Probleme mit der Liquidität auftauchen?
Falls Liquiditätsengpässe während des Baus auftreten, hilft nur der vertrauensvolle Austausch mit der Bank. Ein guter Kontakt und das Übermitteln der Abschlüsse sind wichtig, um Probleme bei der Zahlungsfähigkeit rechtzeitig erkennen zu können. Es kann auch sinnvoll sein, bereits im Voraus eine Anschubfinanzierung mit der Bank auszuhandeln. So kann man eventuell steigende Kosten direkt von dieser Reserve begleichen. Wenn die Liquidität einmal gefährdet ist, gibt es keine Förderung, die diesen finanziellen Engpass ausgleichen kann. Grade deshalb ist es auch so wichtig, dass Bauherren eng mit der Bank und den Beratern zusammenarbeiten und Fehlbedarfe im Ernstfall nachfinanzieren.
Wie kann ich vermeiden, dass die Liquidität während des Baus gefährdet ist?
Grundsätzlich muss man sich schon vorher mit allen Unwegbarkeiten auseinandersetzen, die beim Bau auftreten können. Dazu gehört auch, dass man gewisse Bereiche schon im Vorfeld mit in die Finanzierung einplant. Das wären beispielsweise Lohnkosten, steigende Pachtpreise, Energiekosten und Entsorgungskosten für Gülle. Auch für landwirtschaftliche Betriebe ist es wichtig, die Risiken bereits vor dem Bau genau abzuwägen. Welche Reserven gibt es? Mit welchem Milchpreis komme ich zurecht? Wie hoch ist mein Betrieb vorbelastet? All diese Fragen müssen geklärt sein.
Wann ist das finanzielle Risiko für den Neu- und Umbau für meinen Betrieb zu hoch?
Wenn Betriebsleiter bereits in den letzten Jahren nicht mit den durchschnittlichen Milchpreisen zurechtgekommen sind, ist das finanzielle Risiko zu hoch. Es gibt auf den landwirtschaftlichen Betrieben immer mehr und weniger risikobereite Landwirte. Ein gewisses Maß davon ist aber wichtig für Betriebe. Nur wer rechtzeitig investiert, kann einen Investitionsstau über lange Zeiträume vermeiden. Es ist immer gut, eine gewisse Risikofreudigkeit zu haben. Wer allerdings keine glaubwürdige Rechnung für die Investition hinbekommt, sollte es sein lassen. Dabei darf man auch die Faktoren Arbeitszeit, Futter, Zupacht von Flächen und weitere Transportwege nicht außer Acht lassen.
Interview: Ylsabe-Friederike.Rawe@agrarheute.com
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