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Starke Frauen für die Landwirtschaft

Frauen sind nicht nur als Landfrauen aktiv, auch im Bauernverband übernehmen sie immer mehr Ämter.

„Demokratie ist manchmal ein mühsamer Prozess“

Dr. Heike Müller (57) ist Vizepräsidentin des Bauernverbands Mecklenburg-Vorpommern und Vorsitzende des LandFrauenverbands Mecklenburg-Vorpommern.

Frau Müller, wie sehen Sie das Thema Frauenquote in Wirtschaft und Verbänden (Stichwort Berliner Erklärung)?

Der Deutsche Landfrauenverband ist explizit für die Quote. Dieser Meinung beuge ich mich natürlich. Ich persönlich jedoch bin eher dagegen. Ich bin dafür, dass man Frauen fördert und positive Beispiele setzt. Keiner möchte gerne die Quotenfrau sein, das wirkt immer so, als wäre die Qualifikation egal. Es muss einfach zur Normalität werden, dass Frauen in solchen Positionen auftauchen. Den Weg dahin muss man ihnen zunächst erleichtern.

Wenn man sich wirklich für eine Quote entscheidet, wäre fifty-fifty keine Lösung. Denn in der Landwirtschaft haben wir einen Frauenanteil von gerade einmal 30 Prozent in der Führungsebene. Man müsste darüber reden, in welchem Umfang man eine Quote setzt.

Wie hat sich die Rolle der Frauen in den Branchenverbänden verändert?

In meinen Netzwerken sehe ich, dass zunehmend junge Frauen Betriebe leiten, auch im Westen. Organisation und Leitung werden selbstverständlicher., ebenso die Übernahme von Ehrenämtern. Aber bestimmte Rollenmodelle halten sich hartnäckig. Junge Familien in der Familienphase sind besonders stark eingebunden. Ein Ehrenamt auf Landes- oder Bundesebene ist für die Frauen schwer zu vereinbaren mit kleinen Kindern, die sollten aus dem Gröbsten raus sein. Alles hat seine Zeit.

Bei uns im Osten waren und sind Frauen in Leitungsebenen selbstverständlich. Im Westen ist das anders: Ich war vor zwei Wochen auf einem Bäuerinnentag in Mittelfranken, da habe ich gesehen, wie verschieden die Organisationsstrukturen dort von den unsrigen sind. Frauen übernehmen dort noch deutlich mehr die traditionelle Rolle.

Mit Christiane Lambert steht nun europaweit eine Frau an der Spitze der Bauernverbände. Ist das ein Signal an die Verbände der Länder?

Das ist es durchaus. Trotzdem müssen die Verbände weiter ihre Hausaufgaben machen und eventuell die Satzungen anpassen. Irgendwann müssen wir an den Punkt kommen, dass wir die Diskussionen Mann oder Frau gar nicht mehr führen müssen. Dann sind sowohl Männer als auch Frauen an der Spitze, ohne dass es ein Thema ist.

Wir haben in der Landwirtschaft so viele total gut ausgebildete junge Frauen, die auf allen Ebenen Verbandsarbeit machen können. Vielleicht muss man auch einiges noch spannender gestalten: Verbandsarbeit muss Spaß machen, sonst findet sich keiner, der sie machen will. In unserem Verband muss alles immer über alle Ebenen hinweg entschieden werden. Das macht den Bauernverband manchmal ein bisschen langsam. Demokratie ist eben ein mühsamer Prozess. Bestimmte Regularien müssen natürlich sein, aber man sollte sie so kurz und angenehm wie möglich gestalten. Wir haben schon genug Probleme vor der Brust, es muss ja nicht immer bierernst und staatstragend sein.

Wurden Sie schon mal gefragt, wie Sie den Spagat zwischen Familie, Betrieb und Ehrenamt schaffen? Und Ihr Mann?

Ja klar, wir leben ja das umgekehrte Modell: Mein Mann muss mein Ehrenamt mittragen, und das tut er auch. Die Kinder sind inzwischen aus dem Haus. Bis vor zwei Jahren hatten wir noch einen Pflegefall im Haus, das wurde schon eng.Als Familie haben wir das hinbekommen. Aber natürlich muss man Abstriche machen: Ich bin zweifache Großmutter undich kann meine Enkel nicht so oft sehen, wie wenn ich keine Ämter hätte. Im Übrigen bin ich Verfechterin von Amtszeitbegrenzungen. Irgendwann müssen auch wieder neue Pferde ins Geschirr, man muss Platz machen für die nächste Generation. Die bringen dann wieder andere Blickwinkel mit. (jls)


„Eine Quote ist sinnvoll, um Frauen sichtbarer zu machen“

Juliane Vees (56) ist Präsidentin des LandFrauenverbands Württemberg-Hohenzollern und 1. Vizepräsidentin des Deutschen LandFrauenverbands sowie Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand des Landesbauernverbands Baden-Württemberg.

Frau Vees, wie hat sich die Rolle der Frauen in der Landwirtschaft verändert?

Die Rolle hat sich stark verändert. Die Frau wird immer mehr als Mitunternehmerin, als Unternehmerin, als Betriebsleiterin wahrgenommen. Ich treffe tolle junge Frauen, die ganz selbstverständlich die Betriebe ihrer Familien oder auch von außerhalb übernehmen. Nichtsdestotrotz haben wir noch einiges zu tun in der Agrarbranche. Gerade bei der Hofübergabe gibt es nach wie vor Probleme mit der Rollenverteilung. Junge Frauen kommen bei der Hofübergabe immer wieder in den klassischen Konflikt: Sie müssen sich erst einmal die Rolle der Übernehmerin erkämpfen. Genau für diese Frauen wurde in Baden-Württemberg das sozioökonomische Programm „Starke Frauen, starkes Land“ ins Leben gerufen. Es soll die Frauen in ihrem Selbstbild auf den Betrieb stärken. Wir wollen alte Zöpfe abschneiden und Frauen Mut machen, ihren Platz auf dem Hof zu behaupten.

Wie sehen Sie das Thema Frauenquote in Wirtschaft und Verbänden?

Lange Jahre habe ich mich schwergetan mit dem Thema Frauenquote. Ich habe immer gedacht, wenn Frau gut ist, wird sie ihren Weg gehen. Im Laufe der Zeit habe ich dann aber gemerkt, dass es so einfach nicht ist. Ich würde es mittlerweile begrüßen, wenn wir eine Quote bekämen, zumindest für den Anfang. Eine Quote ist sinnvoll, um Frauen sichtbarer zu machen, bis ihre Teilhabe irgendwann zur Normalität wird.

Die Entwicklung im Deutschen Bauernverband, die von Präsident Rukwied angeschoben wurde, ist begrüßenswert. Wir haben die Chance bekommen, den Unternehmerinnen-Ausschuss zu gründen, und werden aus diesem Ausschuss eine Vertreterin ins Präsidium schicken. Das ist zunächst ein Sonderweg, aber ohne solche Sonderwege kommen wir nicht schnell genug voran. Vielleicht liegt der geringe Frauenanteil auch daran, dass die Frauen sich bisher nicht ganz so willkommen gefühlt haben. Der Ausschuss dagegen zeigt: „Wir freuen uns über eure Mitwirkung. Ihr spielt eine zentrale Rolle für die Zukunft.“ Das fühlt sich super an und ich freue mich riesig darauf. Ich spüre einen richtigen Aufbruch innerhalb der Agrarbranche. Es gibt viele Frauen, die sich jetzt melden und mitarbeiten wollen. Es ist ein toller Weg in die Zukunft.

Wurden Sie schon öfter gefragt, wie Sie den Spagat zwischen Familie, Betrieb und Ehrenamt schaffen? Und Ihr Mann?

Ich werde das regelmäßig gefragt. Und mein Mann wird regelmäßig gefragt, ob er schon verhungert ist, weil ich mal wieder unterwegs bin. Bei Männern wird nicht nach der Familie gefragt. Männer untereinander reden nicht so offen über private Dinge. Frauen werden jedoch ohne Hemmungen zu allen möglichen privaten Dingen gefragt. Manchmal denke ich mir: Mein Gott, muss ich mich schon wieder rechtfertigen? Dabei engagiere ich mich doch für die Landwirtschaft. Aber ich weiß: Den Kopf rauszustrecken heißt immer sichtbar zu werden und vielleicht auch mal in die Schusslinie zu geraten. Da braucht man ein dickes Fell.

Warum würden mehr Frauen dem Bauernverband guttun?

Weil sie einen anderen Blickwinkel auf die Themen haben, den weiblicheren Blick. Sie haben auch soziale Themen im Fokus, wie Versicherung, Absicherung, Testament. Das sind Themen, die auch die Männer interessieren sollten. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit sind die Frauen oft stärker, auf die Verbraucher zuzugehen, fällt den Frauen leichter, sowohl in Social Media wie auch bei Veranstaltungen. Das ist auch wichtig für die Außenwirkung: Frauen sind gut in der Gesellschaft verankert und können dort die Landwirtschaft besser präsentieren. (jls)


„Es braucht mutige Männer, die die Frauen unterstützen“

Susanne Schulze Bockeloh (57) ist Kreisverbandsvorsitzende Münster beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband. Seit Mai 2022 ist sie Vorsitzende des Fachausschusses „Unternehmerinnen in der Landwirtschaft“ beim Deutschen Bauernverband.

Frau Schulze Bockeloh, sollten die Verbände jünger, weiblicher, moderner werden?

Verbände sollten sich auf jeden Fall regelmäßig hinterfragen und eine Verbandsentwicklung durchmachen. Sie müssen sich selbst reflektieren: Wer sind wir? Wer sind unsere Mitglieder? Sind die unterschiedlichen Gruppierungen ausreichend in den Gremien vertreten und werden unsere Themen wahrgenommen?

Die Gremien unseres Verbands auf Landes- und besonders auf Bundesebene spiegeln den Anteil der Landwirtinnen und Frauen in den landwirtschaftlichen Unternehmen nicht wider. Daher ist es eine wichtige Aufgabe, zu überlegen, wie unser Verband auf allen Ebenen mehr Frauen einbinden kann.

Sprechen wir über die Themenfelder Organisation und Kommunikation ‒ was machen Frauen denn auf diesen Gebieten anders als Männer?

Frauen wird ein großer Teamgeist zugesprochen, außerdem eine hohe soziale Kompetenz und Kommunikationsstärke. Mir liegt es fern, Männer und Frauen in Stereotype einzuteilen, aber die Unterschiedlichkeit sollten wir in unseren Verbänden nutzen.

Besonders in der Öffentlichkeitsarbeit für die Landwirtschaft wird das Kommunikationstalent der Frauen deutlich. Sie haben oft mehr soziale Kontakte außerhalb der Landwirtschaft, die sie dafür nutzen können.

Auch die Organisationsfähigkeit ist ein Talent der Frauen in landwirschaftlichen Familien. Die Familie, den Betrieb und das Ehrenamt im Blick zu haben und zu managen, braucht großes Organisationstalent.

Wie sehen Sie das Thema Frauenquote in Wirtschaft und Verbänden ‒ Stichwort Berliner Erklärung?

Mein Blick auf die Frauenquote hat sich verändert. Früher habe ich immer gedacht, wir Frauen sind gut ausgebildet und engagiert, deshalb bekommt man entsprechende Posten oder Jobs. Aber je größer die Verantwortung wird, umso seltener sieht man Frauen in Gremien oder Führungsrollen. Das liegt sicher nicht an der mangelnden Kompetenz der Frauen.

Also ist es wichtig, bestimmte Instrumente zu entwickeln, die Frauen in die entsprechenden Gremien bringen. Das kann eine Frauenquote sein, aber ich kann mir durchaus auch andere Mechanismen vorstellen.

Natürlich braucht es dazu auch mutige Männer, die das Potenzial der Frauen erkennen und diese Frauen bewusst zur Verbandsmitarbeit einladen, in den Gremien willkommen heißen und weiter fördern.

Bauernpräsident Joachim Rukwied hat mit der Gründung des Unternehmerinnen-Ausschusses im Deutschen Bauernverband ja eine tolle Wegmarke gesetzt. Die Frauen, die dort mitarbeiten, werden etwas bewegen!

Führen Frauen anders als Männer?

Ganz klar ja, gerade in Führungspositionen kommen die Stärken der Frauen zum Tragen: arbeiten im Team, Verantwortung teilen können, Empathie, Kommunikationsstärke etc.

Der Erfolg von Unternehmen mit einem hohen Anteil an weiblichen Führungskräften lässt sich in Skandinavien hervorragend ablesen. Aber der Erfolg beruht nicht darauf, zu entscheiden, wer macht was besser, sondern die Unterschiedlichkeit führt zum Erfolg. Es kommt darauf an, die Kompetenzen von Männern und Frauen in den Gremien zu ergänzen und zusammenzuführen.

Wir haben große Herausforderungen für unsere Landwirtschaft und in den Verbände zu meistern, da dürfen wir das Potenzial der Frauen nicht einfach liegenlassen. (jls)

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