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Mit Hoflader und Heugabel

Hartwig Breher in seinem Milchviehstall: Heu satt gibt es für die Kühe und kaum Fütterungstechnik.

Auf den Punkt

  • Hartwig Breher hält 40 Milchkühe im Allgäu und erzeugt Heumilch.
  • Neben Heu sind in der Fütterung nur wenige Zusatzfuttermittel erlaubt.
  • Der Junglandwirt ist Mitglied in einer genossenschaftlich organisierten Sennerei.

Es duftet im Milchviehstall von Hartwig Breher. Natürlich riecht man auch die Ausdünstungen und Hinterlassenschaften der 40 Milchkühe. Aber der ganze Stall ist erfüllt mit diesem unverwechselbaren, frischen, aromatischen Geruch – trocken, Sommer, einfach gut. Es ist der Geruch von Heu. „Das ist ein großer Vorteil der Heufütterung“, sagt Breher. „Der Geruch ist viel besser. Der Stall, die Kühe, auch man selber riecht besser. Ich denke, das wirkt sich auch auf die Milch aus.“

Breher erzeugt Heumilch. Seine Tiere fressen überwiegend Heu von Allgäuer Wiesen. „Natürlich bekommen sie auch Kraftfutter“, räumt der 32-jährige Junglandwirt ein. „Bei der Heumilchfütterung ist erlaubt, was nicht vergoren ist. So füttere ich auch etwas Maiscobs und Kraftfutter bei.“ Entscheidend ist, dass er komplett auf Silofutter wie Mais- oder Grassilage verzichtet. Die Leistung seiner Kühe – Braunvieh und Fleckvieh, dazwischen ein paar Schwarzbunte – kann sich trotzdem sehen lassen. Hartwig Breher geht am Doppel-6-Swing-over-Melkstand vorbei in den Tankraum und zieht den letzten Jahresbericht heraus: Die Milchleistung liegt bei 8.700 l/Jahr, bei 3,76 Prozent Eiweiß und 4,24 Prozent Fett. Breher ist zufrieden.

Die Heufütterung sei die im Allgäu traditionell übliche Fütterung, erklärt der Milchviehhalter, während er an den fressenden Kühen vorbeiläuft. Das Heu türmt sich vor den Fressgittern der Tiere die komplette Futtergasse entlang.

Heumilch: eine geschützte Spezialität

Was früher normal war, ist jetzt eine Spezialität, die sogar EU-weit geschützt ist: Seit März 2016 ist sie als „Heumilch g. t. S.“, als eine „garantiert traditionelle Spezialität“ gemäß der EU-Verordnung Nr. 1151/2012, eingetragen. Gerade einmal 1 Prozent der in Deutschland erzeugten Milch kann als Heumilch vermarktet werden. Eine Marktnische, aber eine mit Potenzial, denn bei Verbrauchern gelten Heumilch und die aus ihr erzeugten Produkte als Spezialität, für die die Kunden auch mal tiefer in die Tasche greifen.

Die Milch von Brehers Kühen hat zudem noch einen weiteren Pluspunkt: Sie reist gerade mal bis zum Ortsausgang, bevor sie verarbeitet wird. Hartwig Breher ist einer von acht Landwirten, denen die genossenschaftliche Sennerei Lehern gehört. Zudem ist er einer der gerade mal fünf Vorstände. Entscheidungen werden hier schnell und direkt getroffen – entweder direkt im Vorstand oder, bei größeren Anliegen, mit allen acht Landwirten. Die 2,2 Mio. l Milch, die in der Käserei verarbeitet werden, kommen ausschließlich von den acht Landwirten. Und auch der Gewinn geht an die Landwirte zurück. „Das ist der große Vorteil einer eigenen Genossenschaft“, sagt Breher.

Der wichtigste Rohstoff für Brehers Betrieb liegt in der Heutrocknung und duftet.

Mitglied der Genossenschaft ist der junge Landwirt seit 2007, direkt seit er den Betrieb seines Großonkels gepachtet hat. Im Jahr 2012 hat er den Hof dann komplett übernommen und auch schnell investiert: 2014 baute er den neuen Laufstall, in dem seine 40 Milchkühe stehen. „Mehr geht nicht“, sagt er, während er mit der Gabel einen Heuhaufen näher ans Fressgitter schiebt. Begrenzender Faktor für sein Betriebswachstum ist die Fläche: „Es gibt hier keine mehr zu pachten.“ Knapp 20 ha bewirtschaftet er aktuell. Damit fällt er gerade noch unter die Einordnung als 13a-Betrieb. „Ich muss sogar noch Futter zukaufen“, sagt Breher, „und Gülle muss ich abgeben. Dafür habe ich eine Kooperation mit einem anderen Landwirt, der viel Fläche hat und nur ein paar Tiere.“

Fütterung ohne viel Technik

Am Ende der Futtergasse stehen ein paar Heugabeln und dahinter ein Weidemann- Hoflader. Breher weist im Vorbeigehen kurz mit der Hand darauf: „Das ist meine ganze Fütterungstechnik.“ Er lacht und öffnet das Rolltor. Draußen liegt überfrorener Schnee. Es knirscht unter den Füßen. Über die Weiden sieht man hinüber zum Hopfensee. Dahinter ragen die Alpen empor.

Breher hat gerade keinen Sinn für die Aussicht. Er stapft auf sein jüngstes Projekt zu: Die 2019 fertiggestellte Heutrocknung steht nur wenige Meter vom Stall entfernt. Er geht die Metalltreppe hoch und öffnet die Tür. Das Gebäude ist innen mit OSB-Platten verkleidet, groß und luftig. Der Heugeruch ist überwältigend. Drinnen türmt sich Brehers wichtigster Rohstoff. „Das hier sind 2.000 m³ und doch reicht es nicht aus. Wir müssen weiterhin die alte Scheune als zusätzliches Lager nutzen“, sagt er.

Seit er die eigene Trocknung hat, verzichtet er darauf, frisches Gras zu verfüttern. Nach dem dritten Schnitt dürfen die Tiere auf die nahe am Hof gelegenen Weiden. Ansonsten gibt es Heu aus der Trocknung. Die läuft mit Strom aus der Steckdose, denn auf eine eigene Photovoltaik-Anlage hat Breher bewusst verzichtet: „Die Anlage läuft gerade einmal zehn Tage im Jahr, das lohnt nicht. Auf dem Stall habe ich natürlich Photovoltaik.“ Beim Gang zurück zum Wohnhaus kommt er wieder am Stall vorbei. Dahinter stehen ein paar Kälberiglus mit Kälbern. Die Nachzucht behält der Jungbauer nicht. „Dafür fehlen mir hier die Kapazitäten“, sagt er.

Heumilch: geschützte Spezialität

Seit März 2016 ist die Bezeichnung Heumilch gesetzlich geschützt durch das EU-Gütezeichen „garantiert traditionelle Spezialität“ (g. t. S.). Entscheidend ist eine silo- und gentechnikfreie Fütterung. Mindestens 75 Prozent des täglichen Bedarfs der Kühe ist durch Raufutter zu decken: im Sommer durch frische Gräser und Kräuter, im Winter durch Heu.

Weiterhin dürfen Grünraps, Grünmais, Grünroggen und Futterrüben sowie Heu-, Luzerne- und Maispellets sowie Ackerbohnen und Erbsen gefüttert werden. Verboten sind Silage, Feuchtheu oder gegorenes Heu, ebenso Nebenprodukte von Brauereien, Mostereien und Brennereien sowie gentechnisch veränderte Produkte. Auch Zuckerrübenschnitzel, Melasse, Ölkuchen, Expeller etc. sind nicht zugelassen.

Nur etwa 1 Prozent der in Deutschland produzierten Milch ist Heumilch; ein großer Teil davon ist Bio. Der Allgäuer Emmentaler, der aus Bayern beziehungsweise Baden-Württemberg stammt, wird traditionell aus Heumilch hergestellt.

Vor dem Stall ist gerade eine Nachbarin mit kleinem Kind im Anmarsch. Sie sind auf dem Weg zum Milchtank. „Eigentlich vermarkte ich komplett über die Sennerei“, sagt Breher. „Den Milchautomat vorne am Hof habe ich wieder abgebaut. Er hat sich nicht gelohnt. Wir liegen zu weit von der Hauptstraße weg.“ Wer jetzt noch Milch holen will, kann das über einen Auslass direkt am Tank tun. „Milchautomaten laufen nicht gut in der Gegend. Den Leuten ist die Haltbarkeit einfach zu kurz und das Abkochen ist ihnen lästig.“

Daher fährt seine komplette Milch per Milchtankwagen aus dem Hof heraus, den kleinen Weg entlang zur Hauptstraße und dann noch knapp 500 m bis hinters Ortsschild von Hopferau. Kürzer kann ein Lieferweg kaum sein. Die Sennerei Lehern liegt direkt hinter dem Ortsausgang auf einer Anhöhe. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1890. Anstrich und Verzierungen sind bewusst traditionell gehalten. Das Innere dagegen ist hochmodern, viel Edelstahl und Fliesen. In der Käserei arbeiten rund 20 Mitarbeiter, viele davon als Minijob oder in Teilzeit. Einer davon spritzt gerade im Hof die Käseständer ab.

Drinnen gibt es einen großen Hofladen mit viel Holz und einer langgestreckten Verkaufstheke. Durch eine Glastür schaut man in die Produktion. Zwei Mitarbeiter in weißen Schürzen, Gummistiefeln und Hauben spritzen gerade den Raum aus. Im Radio läuft ein Schlager, sie singen lautstark mit.

Die Stimmung ist gut, es ist kurz vor Weihnachten. Alle freuen sich auf ein paar ruhige Tage, auch die Verkäuferin hinter der Verkaufstheke, in der man das gesamte Sortiment der Käserei bewundern und kaufen kann: Trinkmilch, Joghurt und natürlich eine große Auswahl an Hart-, Schnitt- und Weichkäse, die noch besser duften als das Heu von Hartwig Brehers Kühen. ●

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