Investieren, aber nachhaltig
Auf den Punkt
- Banken werden bei der Kreditentscheidung künftig Nachhaltigkeitskriterien einbeziehen.
- Betriebe werden darum zusätzliche Angaben zu Investitionsvorhaben vorlegen müssen.
- Wer den Klimawandel nicht berücksichtigt, zahlt beim Fremdkapital drauf.
Alle reden über Nachhaltigkeit, aber wo steht eigentlich, was das heute genau heißt? Die EU gibt mit der sogenannten Taxonomie-Verordnung einen umfassenden Katalog von Kriterien – samt Offenlegungspflichten – vor, der definiert, welche Wirtschaftstätigkeiten als nachhaltig gelten. Dies wird in naher Zukunft auch die Landwirtschaft betreffen. Grund genug, sich eingehend mit dem Stichwort Taxonomie zu beschäftigen.
Der Gesetzgeber möchte Kapital in ökologisch und sozial nachhaltige Aktivitäten lenken. In einem ersten Schritt wurden dafür die EU-Klimaschutzziele in messbare Kriterien übersetzt. Zudem befinden sich Kriterien für Biodiversität, soziale Nachhaltigkeit und gute Unternehmensführung in der Entwicklung.
Die EU verpflichtet Banken und andere Finanzinstitute dazu, öffentlich zu machen, wie hoch der Anteil an nachhaltigen Investitionen in ihren Kredit- und Anlageportfolios ist. Banken wollen diese Informationen nun auch selbst nutzen und in die Berechnung des Kreditzinses einbeziehen.
An dieser Stelle wird es für Landwirtinnen und Landwirte interessant: Für beide Neuerungen brauchen die Banken entsprechende Informationen. Deshalb müssen Betriebe künftig Nachhaltigkeitsdaten erheben und veröffentlichen. Diese können sich auf den Betrieb beziehen – wie zum Beispiel Angaben zum CO2- oder Methanausstoß – oder auf einzelne Investitionen.
Banken werden Auskunft erwarten
Wenn ein Betrieb einen Kredit etwa für einen neuen Kuhstall anfragt, muss er künftig gesonderte Daten über die Nachhaltigkeit angeben. Diese Angaben können sich von der Bauweise über die Nutzungsart bis hin zur Energieeffizienz und der Klimaanpassung erstrecken.
Zunächst erscheint das als zusätzlicher Aufwand. Doch der Aufwand kann zeigen, wie zukunftsfähig die Investition und das Geschäftsmodell überhaupt sind. Dies wird deutlich, wenn wir uns klar machen, welche Veränderungen auf die Landwirtschaft zukommen. Versetzen wir uns dazu ins Jahr 2030 und betrachten zwei Szenarien.
Im ersten Szenario stellen wir uns vor, dass die Politik konsequente Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise getroffen hat. Der CO2-Preis ist auf rund 200 Euro/t CO2-Emissionsäquivalent gestiegen. Dies betrifft auch die Landwirtschaft. Eine Methanabgabe wurde eingeführt. Gleichzeitig gilt eine Sanierungspflicht für Gebäude, die bestimmte Energieeffizienzstandards nicht einhalten – einschließlich Ställen. Zudem müssen gewerbliche Gebäude eine Solaranlage bekommen.
Im zweiten Szenario hat die Politik nicht konsequent gehandelt. Die Klimakrise ist deutlich zu spüren: Es kommt vermehrt zu sintflutartigen Regenfällen und Überflutungen. Gleichzeitig erleben wir starke Hagelstürme im Herbst und Winter sowie lange Hitze- und Dürreperioden im Sommer. In beiden Szenarien hängt die Wirtschaftlichkeit des Betriebs und der Investition in den neuen Kuhstall massiv davon ab, wie bereits heute die Weichen gestellt wurden. Wurden erste Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes getroffen? Erfüllt der neue Stall alle Vorgaben an die Energieeffizienz? Wurde eine Solaranlage installiert? Wurden bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit der CO2-Preis und eine Methanabgabe berücksichtigt?
Zusatzkosten erkennen
Falls dies nicht der Fall ist, drohen im ersten Szenario hohe Zusatzkosten etwa für eine Sanierung, die zusätzliche Installation einer Solaranlage sowie hohe Abgaben für CO2- und Methanausstoß. Im zweiten Szenario drohen ebenfalls hohe Zusatzkosten, sofern die möglichen Auswirkungen nicht berücksichtigt wurden. Wie robust ist beispielsweise das Stallgebäude gegenüber Hagelstürmen? Ist es gegen die Hitze im Sommer ausreichend isoliert? Wurden Ernteeinbußen im Futterbau einkalkuliert? Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass die Wirtschaftlichkeit des Betriebs stark von der frühzeitigen Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit im Allgemeinen und der Klimakrise im Speziellen abhängt.
In vier Schritten zur Entscheidung
Anhand des Beispiels werden die physischen und transitorischen Nachhaltigkeits- und Klimarisiken sichtbar. Sie betreffen die Geschäftsmodelle von Unternehmen erheblich, werden aber bislang weitgehend unterschätzt (siehe Infokasten „Risikotypen“).
Diese Risiken schlagen sich in den Kreditportfolien der Banken nieder. Aus diesem Grund sind Banken vom Gesetzgeber angehalten, die Nachhaltigkeits- und insbesondere Klimarisiken in besonderem Maße in ihre Kreditentscheidung einfließen zu lassen. Der Prozess kann in vier Schritte gegliedert werden.
Der erste Schritt beinhaltet als Basis für alle Folgeschritte die Einigung auf ein oder mehrere mögliche Szenarien. Diese bilden den Ausgangspunkt, um daraus die spezifischen Risikotreiber abzuleiten. Die Risikotreiber können sich sowohl in ihrer Ausprägung unterscheiden (zum Beispiel Häufigkeit von Extremwetterereignissen) als auch in ihrem Auftreten (zum Beispiel Methanabgabe).
Sie können sich auf diese Weise unterschiedlich auf die Kosten- und Ertragslage und damit die Wirtschaftlichkeit von Geschäftsmodellen und Investitionen auswirken. Im zweiten Schritt werden die sich aus dem Szenario ergebenden Risikotreiber definiert. Mit Blick auf die beiden eingangs geschilderten Szenarien, die sich einmal als „Konsequentes und schnelles Handeln“ und einmal als „Kein Handeln“ bezeichnen lassen, werden unterschiedliche Risikotreiber beschrieben. Daraus wird im dritten Schritt die Betroffenheit der Betriebe abgeleitet.
Während im ersten Szenario durch den hohen CO2-Preis und die Methanabgabe die regelmäßigen betrieblichen Ausgaben sowie durch die Sanierungspflicht und die vorgeschriebenen Solaranlagen gegebenenfalls die Investitionskosten und damit der Finanzierungsbedarf oder die Liquidität steigen, könnten im zweiten Szenario akute Schadenskosten, zusätzliche Einmalkosten sowie Umsatzeinbußen zum Tragen kommen.
Die Informationen aus dem zweiten und dritten Schritt, die auf Ebene des Betriebs oder der einzelnen Investition erhoben werden müssen, fließen im vierten Schritt in die Analyse der Bank ein. Die Bank untersucht, wie sich die einzelnen Risiken auf die Bonität, die Ausfallwahrscheinlichkeit und die Werthaltigkeit der hinterlegten Sicherheiten auswirken.
Resilienz als Ziel
Neben diesem verschärften Blick auf bislang wenig berücksichtigte Risiken soll die Taxonomie auch eine Lenkungswirkung erzielen: Die Geldströme der privaten und institutionellen Investoren sollen vermehrt in nachhaltiges Wirtschaften fließen.
Beides zusammen genommen wird dazu führen, dass diejenigen Unternehmen, die auf ein „Weiter so“ setzen, es perspektivisch schwerer haben werden, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren beziehungsweise Bankkredite zu guten Konditionen zu bekommen.
Noch ist die Landwirtschaft von den Verpflichtungen der EU-Taxonomie ausgenommen. Aber in absehbarer Zeit werden sich Landwirtinnen und Landwirte bei ihren Investitionsentscheidungen stärker an den europäischen Nachhaltigkeitszielen und den Taxonomie-Kriterien orientieren müssen. Dabei sollten sie trotz des administrativen Mehraufwands die Chancen sehen.
Sich rechtzeitig mit den Nachhaltigkeitsaspekten des eigenen Handelns und der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells auseinanderzusetzen, schafft ein Verständnis der vermeintlich ungreifbaren Nachhaltigkeitsrisiken. Zudem können (Investitions-)Entscheidungen frühzeitig zukunftsfähig ausgerichtet werden. So werden die Weichen für ein resilientes Geschäftsmodell gestellt, das in der Lage ist, die Chancen der Transformation zu nutzen.
Um im Beispiel zu bleiben: Wer sich frühzeitig sowohl mit den Kriterien der EU-Taxonomie als auch mit potenziellen Nachhaltigkeitsrisiken auf einem landwirtschaftlichen Betrieb auseinandersetzt, gewinnt Zeit. Zeit, die ihm und seinem Betrieb hilft, sich an mögliche Zukunftssituationen anzupassen. Das kann erheblich zur langfristigen Reduktion aufkommender Kosten beitragen.
So bliebe dem Betrieb beispielsweise deutlich mehr Zeit, um Stück für Stück zu schauen, wo sich Emissionen reduzieren lassen oder wie die Futtermittelgrundlage gesichert werden kann. Zudem kann die Landwirtin oder der Landwirt schauen, wie der Bewusstseinswandel in der Gesellschaft positiv genutzt und in zusätzlichen Umsatz für den Betrieb umgewandelt werden kann.
Risikotypen
Physische Risiken bezeichnen alle Risiken, die Umwelt- und Naturveränderungen betreffen. Darunter fallen vor allem häufiger auftretende Extremwetterereignisse, Temperaturver- schiebungen und damit einhergehende Veränderungen in der Tier- und Pflanzenwelt wie zum Beispiel das Auftreten neuer Schädlinge. Diese Risikotreiber stehen insbesondere bei einem Szenario mit wenigen regulatorischen Anpassungen an den Klimawandel im Vordergrund.
Transitorische Risiken hingegen umfassen Risiken, die sich aus einem Übergang in eine CO2-freie (Land-)Wirtschaft und Gesellschaft ergeben. Sie können politisch-regulatorischer Natur sein, aber auch technologische oder marktbezogene Veränderungen beinhalten sowie ein Reputationsrisiko sein.
Frühzeitig anpassen
Gleichermaßen können für unterschiedliche CO2-Preismodelle Chancen- und Risikoanalysen durchgeführt werden. So können Sie ab einem bestimmten CO2-Preis positive Investitionsentscheidungen möglicherweise schon heute treffen und mit ausreichend Zeit einführen. Für beide – die Bank und den Betrieb – ist es sinnvoll, sich frühzeitig mit Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen auseinanderzusetzen und sie bei Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen.
Wer auf „Weiter so“ setzt, wird es am Kapitalmarkt schwer haben.
In der Praxis könnte das bedeuten, frühzeitig zu erkennen, dass sich eine ursprünglich geplante Investition in eine Stallerweiterung langfristig nicht rechnet. Mit Unterstützung der Bank könnten Sie stattdessen alternative Investitionen prüfen. Landwirtschaftliche Betriebe können sich so mithilfe der Kriterien der EU-Taxonomie nachhaltig wirtschaftlich aufstellen.
Gewinner sind solche Betriebe, die früh einen Überblick über die Risiken und Chancen haben. Sie können entsprechend früh auf sie reagieren und ihre Geschäftsmodelle risikominimierend und chancenerhöhend anpassen. Das sichert schlussendlich große Wettbewerbsvorteile und vor allem die Zukunftsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs. (leh)●
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