Hofarbeit gegen Langeweile
Auf den Punkt
- Als Therapieangebot bietet das Heim Maria Rast eine Mitarbeit auf einem Bauernhof.
- Der Betriebsinhaber spart sich durch die Mithilfe etwa eine halbe Arbeitskraft.
- Die Winklhofers haben eine engagierte Hilfskraft nach dem Heimaufenthalt fest angestellt.
Der Kies knirscht unter den Reifen des Kleinbusses, als er vor dem Hofladen zum Stehen kommt. Zwei Frauen und ein Mann steigen aus. Sie treten zum Arbeitsappell an. Am Anfang der Woche haben sie sich in die Liste für den Betrieb Winklhofer eingetragen. Die Hofgruppe zählt zum festen Therapieangebot für die Bewohner der soziotherapeutischen Wohneinrichtung Maria Rast im 7 km entfernten Tettenweis.
Anita Winklhofer nimmt die Damen in Empfang und zeigt ihnen ihren Arbeitsplatz in der Hofladenküche. Dort warten Kisten vakuumiertes Schwarzgeräuchertes, das etikettiert werden muss. „Du kannst mit mir mitkommen“, sagt der Hofangestellte Marcel Wolfram zu der männlichen Aushilfe. Es gibt viel zu tun auf dem Betrieb, gerade jetzt zur Erntezeit und auf der Hofbaustelle.
Seit Anfang des Jahres arbeitet Wolfram fest angestellt im Betrieb mit. Er kennt sich nicht nur gut auf dem Hof aus, sondern weiß auch um die Sorgen und Nöte der Helfer, die jeden Mittwoch zum freiwilligen Arbeiten kommen. Er war selbst einmal in der Einrichtung für Suchtkranke. 15 Jahre Alkoholmissbrauch liegen hinter ihm. Nach seiner Entlassung hat ihn Betriebsleiter Georg Winklhofer als Hilfskraft fest angestellt. „Als ich noch im Haus Maria Rast war, habe ich versucht, so oft wie möglich hierher auf den Betrieb zu kommen. Die Beschäftigung hilft. Das Schlimmste ist die Langeweile.“
Willkommene Hilfskräfte
Seit über zwei Jahren kommen nun schon Tettenweiser Freiwillige zum Arbeiten. Die Winklhofers schätzen nicht nur die Hilfe, sondern sie haben zudem einen wertvollen Betriebsangestellten gewonnen. „Vor allem im Hofladen und beim Catering ist uns Marcel eine große Stütze, denn er hat eine Kochlehre gemacht. Seit er seinen Führerschein hat, liefert er unsere Produkte an die Märkte aus“, sagt Winklhofer.
„Das Rumfahren macht mir so richtig Spaß, jetzt, wo ich nach 18 Jahren meinen Führerschein wieder habe. Es geht bergauf“, sagt Wolfram mit einem Lächeln. Er schätze vor allem die familiäre Atmosphäre. „Ich bin gern hier. Es ist abwechslungsreich und die Leute sind supernett.“
Gegen halb 10 Uhr kommt Anita Winklhofer mit zwei Cappuccinos in die Hofladenküche – Zeit für eine Zigarettenpause und einen kurzen Plausch. Für die Winklhofers ist eine wertschätzende, familiäre Atmosphäre wichtig. Trinkgeld dürfen sie offiziell keines geben. Als Dankeschön verschenken sie gern eine Tüte Tabak. Dann kommen die Helfer auch gerne wieder.
„Da gibt es gerade einen, der ist superfleißig und handwerklich begabt“, sagt Winklhofer. Er komme auch außerhalb des Therapieangebots. „Wir überlegen nun, einen Praktikumsvertrag mit ihm zu machen, damit er auch jenseits des Mittwochsdiensts versichert ist.“ Heute ist er jedoch nicht zum Arbeiten aufgetaucht. „Damit muss man immer rechnen. Man kann die Leute nicht fest einplanen.“ Man dürfe die Helfer keinesfalls wie klassische Arbeitskräfte betrachten. Nicht zuletzt sind die Menschen suchtkrank. Wenn jemand den ganzen Vormittag auf der Bank im Hof sitzt, dann müsse man das akzeptieren. Viele seien körperlich wie mental wenig belastbar.
„Es war ein Lernprozess“, sagt Winklhofer rückblickend. Im Umgang brauche es viel Geduld und Feingefühl, vor allem dürfe man keinen Druck aufbauen. Viele hätten als Folge der Sucht Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. „Sie vergessen oft auch mal, was man ihnen aufgetragen hat.“ Deshalb dürfe man auch immer nur eine Aufgabe nach der anderen anschaffen. „Natürlich erzählen die Leute auch von ihren Problemen. Damit muss man auch umgehen können.“ Die Balance zwischen Anteilnahme und Distanz sei nicht immer ganz leicht, gibt er zu.
Keine Finanzierung
„Geld bekommen wir für die Zusammenarbeit nicht“, sagt Winklhofer. Immerhin spare er sich durch die Mithilfe etwa eine halbe Arbeitskraft, natürlich abhängig vom Können und von der Motivation der jeweiligen Helfer.
Er würde sich allerdings einen kleinen Beitrag von 150 Euro pro Monat wünschen, da er dadurch auch Unkosten habe. Zum Beispiel errichtet er derzeit Toiletten und Umkleiden für die Helfer. Da immer ein Betreuer vor Ort ist, benötigt Winklhofer keine spezielle Fortbildung. Die Arbeitskleidung bringen die Helfer selbst mit. Versichert sind sie über die Einrichtung.
In der Hofladenküche füllt sich langsam die Kiste mit fertig lieferbaren Fleischartikeln. Die Winklhofers vermarkten ihr Schwarzgeräuchertes als regionales Souvenir für Kurgäste. Dafür wickeln die beiden Damen am Tisch ein dekoratives Geschenkband aus Bast um die vakuumierte Fleischspezialität. Eine der Frauen ist Frederike Pfaff, die Betreuerin der Hofgruppe. Sie kennt alle Arbeitsschritte und hat heute die Neue eingewiesen. Die ältere Dame ist zum ersten Mal auf dem Betrieb. „Es gibt einem das Gefühl, dass man etwas Sinnvolles macht“, sagt sie.
Die Arbeit auf dem Hof tut diesen Menschen gut. Letztes Jahr half Marcel mit einem anderen Bewohner beim Bau des Getreidelagers mit. „Sie waren so stolz, als das Lager fertig dastand. Sie haben es fotografiert und ganz stolz im Heim herumerzählt, dass sie das gebaut haben.“ Das freut auch die Winklhofers.
Ob er die Zusammenarbeit anderen Landwirten empfehlen würde, weiß Georg Winklhofer nicht. „Man muss eine soziale Ader haben, sonst scheitert das.“ Letztlich gehe es dabei um Menschen mit einer Krankheit. Man müsse realistisch bleiben. Von 100 Alkoholikern werden 98 rückfällig. Aber für einige ist die Arbeit auf dem Hof eine echte Chance. ●
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