Eichenprachtkäfer und Eichensterben
Schneller Überblick
- Witterungsextreme der vergangenen Jahre infolge des Klimawandels haben vielerorts Eichenbestände stark geschwächt
- Geschwächte Eichen sind anfällig für den Befall durch den Eichenprachtkäfer, der lokal und regional in stark erhöhten Dichten auftritt und bereits noch vital erscheinende Eichen besiedelt
- Erfahrungen zeigen, dass situationsgerechte Sanitärhiebe Eichenbestände erhalten und so langfristig die Waldfunktionen sichern können
Auch wenn die mitteleuropäischen Eichenarten (Quercus robur, Q. petrea) durchaus Phasen höherer Gefährdung kennen [1, 2, 3], wird ihnen aufgrund ihrer gemeinhin bekannten Toleranz gegenüber klimatischen Stressfaktoren wie Hitze und Trockenheit auf längere Sicht eine große Bedeutung zugemessen. Eichen- und Eichenmischwälder haben als Lebensraum mit oft besonders hoher Struktur- und Artenvielfalt zudem eine große Bedeutung für den Naturschutz, liefern aber auch hochwertiges Holz. Die Erhaltung eines wesentlichen Eichenanteils in den Laubwäldern bildet somit die Grundlage für vielfältige Waldfunktionen.
Aktuelle Gefährdungslage der Eichen
In weiten Teilen Deutschlands waren in den letzten Jahren sehr heiße und extrem trockene Jahre – oftmals in Folge – zu verzeichnen. Hinzu kamen regional starke Fraßschäden infolge von Massenvermehrungen blattfressender Schmetterlingsraupen wie Schwammspinner oder Frostspanner. Die nach Kahlfraß noch im gleichen Jahr ausgebildeten Regenerationstriebe können zudem vom Mehltaupilz befallen werden.
Dürre und/oder Verlust der Blattorgane führen zu einer stark geminderten Fotosyntheseleistung, in der Folge zu Mangel an Reservestoffen, insbesondere von Kohlehydraten und damit zu einer geschwächten Abwehrbereitschaft gegen rindenbrütende Insekten [4]. In diesem Zusammenhang stellt die Ringporigkeit des Holzes für Eichen einen spezifischen Risikofaktor dar, da die Ausbildung der wichtigen Frühholzgefäße weitgehend auf die Reservestoffe angewiesen ist [5, 6, 7, 8].
Die aktuelle Schwächephase der Eichen nutzt der Zweipunktige Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus) natürlicherweise aus, um sich stark zu vermehren. Bei einer Massenvermehrung des Käfers werden dabei neben geschwächten Eichen gerade in den letzten Jahren zunehmend auch äußerlich noch vital erscheinende Bäume erfolgreich befallen, die dann absterben können. Außerdem können Stamm- und Wurzelpilze als möglicherweise schadensverstärkende Faktoren festgestellt werden, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Stellenweise kann es nach Vorschädigungen durch den Befall sogar zur Auflösung von Eichenbeständen kommen, wie im Zusammenhang mit früheren Eichensterbensphasen beschrieben [8, 9, 10] und aktuell in Mittelhessen und im Süden von Sachsen-Anhalt sichtbar. In verschiedenen Regionen zeigt sich eine dynamische Schadentwicklung mit einer wachsenden Anzahl an betroffenen Beständen und sich verstärkender Schadensintensität. Diese Dimension ist zum Beispiel in Bayern mit den bisherigen Erfahrungen aus früheren Ereignissen nach der Schwammspinner-Massenvermehrung 1992 bis 1994 [10] nicht mehr vergleichbar. Während in vorangegangenen Eichensterbensphasen weit überwiegend Bäume mit starkem Vitalitätsverlust als vulnerable Wirtsbäume von rinden- und holzbrütenden Käferarten befallen wurden [8, 9, 10], werden in jüngerer Zeit zunehmend auch solche mit vermeintlich guter Vitalität und oftmals ohne deutliche Belaubungsdefizite von diesen befallen [11].
Zahlreiche Untersuchungen haben dargelegt, dass A. biguttatus bereits früh in geschwächten Eichen vorkommt und seine deutliche Dichtezunahme mit dem Absterben von Eichen zusammenfällt [4, 8–20]. Nach Vuts et al. [21] fanden sich in 95 % der Fälle von akutem Eichensterben Larvengänge von A. biguttatus. Den Befunden von Delb [8] zufolge waren nach Schwammspinner-Kahlfraß nahezu 90 % der in den folgenden drei Jahren abgestorbenen Eichenbaumhölzer intensiv von Larvenfraßspuren der Eichenprachtkäfer gezeichnet. Zwar gilt die Art als sekundärer Schadorganismus, kann aber insbesondere geschwächte und gestresste Eichen nach einem Befall unter die reversible Schwelle der Schädigung drücken, sodass keine Erholung mehr möglich ist [22]. Massiver oder wiederholter Befall durch A. biguttatus setzt bei sonst ggf. erholungsfähigen Eichen einen nicht mehr umkehrbaren Absterbeverlauf in Gang [17].
Die Beteiligung und Rolle weiterer Käferarten am Schadgeschehen, wie beispielsweise die des Blaugrünen Eichenprachtkäfers (Agrilus sulcicollis) und des Eichensplintkäfers (Scolytus intricatus), ist lokal zwar augenscheinlich, jedoch noch nicht geklärt. Nach Machácová et al. [23] sowie Moraal und Hilszczański [17] können beide Arten, die vorwiegend Kronenäste befallen, den Schadverlauf beeinflussen.
Entwicklung und Schadwirkung der Prachtkäfer
Massenvermehrungen des Eichenprachtkäfers nach Kahlfraß oder Dürre sind in der Fachwelt seit mehr als 100 Jahren bekannt (z. B. [15, 16]). Hierfür benötigen sie neben disponierten Eichen vor allem trocken-warme Sommer und milde Winter [1, 24]. Bei hohem Wärmeangebot und Wirtsschwächung kann die Generationszeit nur ein Jahr betragen, im Gegensatz zur gemeinhin bekannten zweijährigen Entwicklungsdauer [8, 19, 24, 25]. Die Prachtkäferweibchen legen nach einem Reifungsfraß an Eichenblättern von Mai bis Ende August ihre Eier in die Vertiefungen der Stammrinde. Dabei werden sonnenexponierte Bereiche bevorzugt. Nach derzeitigen Beobachtungen und wohl infolge der auch im Bestandesinneren steigenden Temperaturen finden sich aber selbst in unterbauten zweischichtigen Beständen und auf der Nordseite von Eichenstämmen Prachtkäfergänge. Befallen werden stets nur stehende, noch lebende Eichen. In frisch gefällten Befallsbäumen können sich vorhandene Altlarven und Puppen allerdings zumeist noch fertig entwickeln. An frisch abgestorbenen oder geringelten Eichen werden keine Eier abgelegt.
Die aus den Eiern schlüpfenden Junglarven bohren sich durch die Borke in das lebende Rindengewebe (Kambium und Bast), wo sie zickzackförmige Fraßgänge anlegen. Infolge herabgesetzter Abwehrkraft und dadurch zunehmend ausbleibendem Schleimfluss sowie Überwallungszonen verlaufen die Larvengänge spiralig um den Stamm [8]. Bei wiederholtem Befall bzw. stammumfassendem Fraß der Larven wird das Kambium letal geschädigt. Der Nährstoff- und Assimilattransport zwischen Krone und Wurzel wird unterbrochen und der Baum stirbt ab. Selbst eine zunächst nur einseitige Besiedlung des Stammumfangs schwächt die Vitalität des Baumes so weit, dass er für wiederholten Befall anfällig wird. Die Gegenwehr gegen Rindenbrüterbefall durch Schleimfluss, Lignifizierung von Zellen und Kallusbildung in der Kambialzone scheint derzeit sogar schon bei vital erscheinenden Eichen eingeschränkt zu sein [4, 27, 28]. Die Zunahme der Schäden hängt vermutlich auch mit dem Klimawandel zusammen: eine häufigere Schwächung der Wirtsbäume bei gleichzeitig verbesserten Lebensbedingungen für Prachtkäfer durch höhere Temperaturen und Niederschlagsdefizite.
Wie sich Eichenbestände in der Folge von Vitalitätsminderungen entwickeln, hängt von einem komplexen Zusammenwirken zahlreicher abiotischer und biotischer Faktoren in unterschiedlichen Konstellationen ab [2, 8, 10, 18, 23, 29, 30, 31]. Die Grenzmarke beim Ausmaß einer notwendigen physiologischen Wirtsschwächung für einen Befall durch A. biguttatus ist zwar nicht genau bekannt. Doch wurde beim verwandten nordamerikanischen Agrilus bilinatus herausgefunden, dass diese Art dort zur Eiablage vorzugsweise Eichen mit bereits reduzierten Kohlenstoffressourcen aufsucht [27, 32, 33].
Das Schadpotenzial von Prachtkäfern für vitalitätsgeschwächte Eichen und ihre Rolle für die Bestandesentwicklung werden trotz des mit hohen Mortalitätsraten verbundenen zunehmenden Befalls zum Teil kontrovers beurteilt [34]. Allerdings erscheinen die Versuchsanordnungen nicht geeignet, die daraus gezogenen Schlussfolgerungen hinreichend zu belegen. So erwiesen sich bei Dunn et al. [32] im Xylem geringelte Eichen kurzzeitig als attraktiv für Prachtkäfer, für einen erfolgreichen Abschluss der Larvenentwicklung waren sie ungeeignet. Zudem wird auch der Beitrag weiterer rinden- und holzbrütender Käferarten, die vorgeschädigte Eichen häufig kurz nach bzw. gleichzeitig mit Eichenprachtkäfern besiedeln, oder von Pilzen oder Bakterien aufgrund der hohen Variabilität des Befallsgeschehens und der resultierenden Schäden mitunter unterschiedlich bewertet. Aus diesem Grund wird gelegentlich die Wirksamkeit von Sanitärhieben zum Erhalt der Eichenbestände in Frage gestellt.
„Eichenprachtkäferbefall hat aktuell das Potenzial, Eichenbestände aufzulösen.“
Die Erfahrungen der Praxis (z. B. [35]) und der forstlichen Landesforschungsanstalten [1, 8, 10, 12, 31, 36, 37, 38] legen aber dar, dass durch eine gezielte und rechtzeitige Entnahme befallener Eichen, die noch von Käfern besetzt sind (Sanitärhiebe), der Befallsdruck gesenkt und so die weitere Schadentwicklung abgebremst, im günstigen Falle sogar gestoppt werden kann. Wie lange Verdachtsbäume beobachtet werden sollten und wann genau sanitäre Maßnahmen notwendig sind, wird nachfolgend erläutert.
Handlungsempfehlungen
In der aktuellen Situation besteht vielerorts dringender Handlungsbedarf, um den Erhalt Symptome aufweisender Eichenbestände zu gewährleisten (s. o.). Rechtzeitig durchgeführte Sanitärhiebe können den Befallsdruck und die Gefahr für weiteren Befall deutlich mindern [1, 8, 10, 12, 31, 36, 37, 38]. Bei den Sanitärhieben ist es nicht wichtig, jeden Prachtkäfer zu „erwischen“, sondern durch Entnahme stark besiedelter Eichen die Populationsdichte so weit abzusenken, dass die Abwehrkräfte der verbliebenen Eichen ausreichen, um erneute Befallsversuche durch Prachtkäfer abzuwehren. Dazu werden von den Autoren folgende Maßnahmen empfohlen:
- Regelmäßige Kontrolle der Eichenbestände auf Anzeichen von A. biguttatus
- Verifizierung von Befallsmerkmalen (z. B. frühzeitige Laubwelke im Sommer, Spechtabschläge, Schleimfluss, abfallende Rinde mit Larvengängen, typische D-förmige Ausbohrlöcher der Prachtkäfer, Bohrmehlauswurf von Holz besiedelnden Käfern) zum Beispiel über Probefällungen exemplarisch ausgewählter Bäume
- Markierung von Eichen mit eindeutig dem Eichenprachtkäfer zuzuordnenden Befallsmerkmalen in den Kronen und am Stamm zur Entnahme und solcher mit weniger eindeutigen Kennzeichen zur weiteren Beobachtung; diese ist notwendig, sobald gehäufter und aktueller Befall auftritt
- Einschlag von Eichen mit eindeutigen Kennzeichen für aktuellen Befall bei Vorhandensein noch lebender Prachtkäfer-Stadien
- Belassen von Biotop- oder Habitatbäumen sowie bereits vom Prachtkäfer verlassene Eichen oder solchen ohne akuten Prachtkäferbefall als Totholz
- Aufarbeitung und Abtransport von durch Prachtkäfer befallenem Stamm- und stärkerem Kronenholz in den Wintermonaten bis spätestens Ende April; in der Vegetationsperiode möglichst unverzüglich, um möglichst wenige Jungkäfer ausfliegen zu lassen
- Kontrolle der Eichen im Umfeld entnommener Bäume und weitere Beobachtung gekennzeichneter Eichen; ggf. sind weitere Entnahmen notwendig
Die Kontrolle und Auszeichnung betroffener Eichen erfolgt im Idealfall im belaubten Zustand im Spätsommer und Herbst, kann notfalls jedoch auch später durchgeführt werden. Über den Winter ist die wichtigste Zeit für situationsgerechte und mit Naturschutzbelangen vereinbare Einschlags- und Abfuhrmaßnahmen. Dabei hängen Umfang und Zeitpunkt sanitärer Eingriffe von der jeweiligen Befallssituation ab und setzen das oben skizzierte, gestufte Vorgehen voraus.
Je früher eine entstehende Schaddynamik erkannt und darauf reagiert wird, umso geringer sind die zu erwartenden Schäden in den betroffenen Eichenwäldern.
Fazit und Ausblick
Eine Entscheidung für oder gegen Sanitärhiebe ist stets einzelfallbezogen vorzunehmen und setzt dabei einen sorgfältigen Abwägungsprozess voraus. Dabei wird eine enge Abstimmung zwischen Naturschutz- und Waldschutzverantwortlichen sowie Waldbewirtschaftern dringend angeraten. Eichen, die vor mehr als einem Jahr abgestorben und von Prachtkäfern bereits verlassen sind, müssen aus Waldschutzsicht ebenso wenig entnommen werden wie Eichen mit einzelnem Befall bei einer weitgehend ungeschwächten Widerstandskraft. In anderen Fällen dagegen ist eine Entnahme unter Berücksichtigung der lokalen Situation und der biotischen und abiotischen Rahmenbedingungen aus Waldschutzsicht erforderlich, um ein Fortschreiten des letalen Befalls zu unterbinden.
Auswirkungen von Hiebsentnahmen auf die jederzeit gegebene volle Leistungsfähigkeit der Eichenbestände, beispielsweise die Biodiversität, können grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, sind aber bei rechtzeitigem Handeln auf einzelne Elemente des Ökosystems begrenzt und sollen den Fortbestand der Eichenbestände mit ihren zahlreichen Funktionen sicherstellen. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen, die bereits seit Jahrzehnten in vorübergehenden Eichensterbensphasen in der jeweiligen Befallssituation in angepasster Intensität angewendet wurden, zeigt sich im Fortbestand von betroffenen Eichenwäldern auch nach wiederholten Schwächeperioden.
In einer Gesamtbetrachtung müssen die positiven wie die negativen Auswirkungen eines Sanitärhiebes den positiven wie den negativen Auswirkungen und Risiken des Unterlassens eines Sanitärhiebes gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen werden. Offene Fragen zu biologischen Grundlagen (z. B. Wirtswahl und Befallserfolg, Flugweiten) und physiologischen Prozessen bei der Gegenwehr des Wirtes müssen gleichwohl noch geklärt werden. Nach Einschätzung der Autoren sind aktive Maßnahmen aufgrund der Kenntnis über die erhöhten Dichten, des ungewohnt dynamischen Schadgeschehens und des vorhandenen Erfahrungswissens unabhängig von der Klärung letzter noch offener Fragen angeraten. Abwarten und zuschauen erscheint bei der aktuellen Konstellation aus Waldschutzsicht keine zielführende Option zu sein.
Nur gesunde Eichenwälder bieten im Gegensatz zu aufgelösten Beständen langfristig die Möglichkeit, vielfältigste Waldfunktionen zu erfüllen und die Habitatkontinuität zu sichern.
Literaturverzeichnis:
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Autorenkollektiv
- Dr. Katharina Burkardt, wiss. Mitarbeiterin in der Abteilung Waldschutz der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA)
- Dr. Horst Delb, Leiter der Abteilung Waldschutz der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA)
- Dr. Andreas Hahn, Leiter der Abteilung Waldschutz der LWF
- Christof Hein, Beratung Käfer in der Abteilung Waldschutz der NW-FVA
- Dr. Rainer Hurling, Sachgebietsleiter in der Abteilung Waldschutz der NW-FVA
- Dr. Martin Rohde, Leiter der Abteilung Waldschutz der NW-FVA
- Andreas Rommerskirchen, wiss. Mitarbeiter in der Abteilung Waldschutz der NW-FVA
- Dominik Wonsack, wiss. Mitarbeiter in der Abteilung Waldschutz der FVA
Dr. Dr. habil. Gabriela Lobinger
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Waldschutz an der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Der Beitrag ist im Autorenkollektiv (s. Kasten) erstellt worden.
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