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Schweinehalter des Jahres: Tüftler im Strohstall

Henning Cloer hat seine Ställe auf das Xaletto-System umgerüstet. Die Schweine fühlen sich auf dem Strohbett sichtlich wohl.

Die Luft im Stall ist angenehm, weitab vom typischen Schweinegeruch. Die Aufzuchtferkel und Mastschweine stehen beziehungsweise liegen entspannt auf einer wohligen, trockenen Strohmatratze, fühlen sich sprichwörtlich sauwohl. Das liegt vor allem daran, dass hier keine Gülle anfällt und dem Strohbett über ein ausgeklügeltes Lüftungskonzept und den Zusatz eines speziellen Rotteaktivators permanent Feuchte, inklusive Schadgase, entzogen wird.

Mit dem hier praktizierten Xaletto-System (Xaletto steht im Italienischen – etwas frei übersetzt – für „ins Bett bringen“) hat Henning Cloer als einer der ersten Schweinehalter in Deutschland in ein neuartiges, besonders tier- und umweltgerechtes Strohhaltungsverfahren für seine Schweine investiert. Der 48-Jährige, der in der Soester Börde einen Betrieb mit rund 1.000 Mastplätzen und vorgeschalteter Ferkelaufzucht sowie 150 ha Ackerland bewirtschaftet, hat sich entgegen aller Bedenken von Beratern und Berufskollegen dafür entschieden und das neue Haltungssystem erfolgreich umgesetzt.

Fit für die Zukunft

Der Weg dahin hat dem Landwirt einiges abverlangt. Vor etwa fünf Jahren stand er vor der Frage, wie es mit dem traditionellen Familienbetrieb, dessen Ursprünge bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts zurückreichen, weitergehen soll. „Mein langjähriger, regionaler Ferkelaufzüchter hatte aus Altersgründen aufgehört und es musste etwas passieren, auch im Hinblick auf das künftige Haltungssystem. Nicht zuletzt ging es mir darum, meinen Kindern in einigen Jahren einen zukunftsfähigen Betrieb zu übergeben“, betont Cloer.

Der Zahlenfuchs erfasst Futter- und Wasserverbräuche in den einzelnen Abteilen ganz genau und wertet sie aus.

Der über KI kameragesteuerte Strohroboter streut die Buchten vollautomatisch und je nach Bedarf ein.

So stieg er letztlich selbst in die Ferkelaufzucht ein und bezieht heute Babyferkel. Gleichzeitig suchte der Schweinehalter nach einem passenden Haltungsverfahren, das nicht nur nachhaltig und damit ressourcensparend in Bezug auf die Nutzung von Futter, Wasser, Stroh und Strom beziehungsweise Wärme ist. „Es sollte den Schweinen gleichzeitig ein hohes Maß an Tierwohl bieten und natürlich auch wirtschaftlich zu betreiben sein“, sagt Cloer.

Er konsultierte landwirtschaftliche Forschungseinrichtungen wie das niedersächsische Bildungszentrum Echem oder Haus Düsse, wo momentan ein „Stall der Zukunft“ konzipiert wird. So richtig glücklich wurde er nicht, bis er 2019 auf das neue Strohhaltungsverfahren Xaletto stieß. Es war von einem Berufskollegen aus dem Oldenburger Münsterland entwickelt und gemeinsam mit dem Mischfutterhersteller Bröring und dem Stallausrüster Big Dutchman zur Praxisreife gebracht worden.

Strohschweine einmal anders

Das zum Teil durch künstliche Intelligenz (KI) gesteuerte System unterscheidet sich erheblich von herkömmlichen Strohställen und stellt vergleichsweise hohe Anforderungen an das Management. Für den technikaffinen Tüftler, der das patentierte Verfahren beim Umbau seiner Ställe weiter perfektioniert hat, ist das kein Problem.

Begonnen im Jahr 2021, hat Henning Cloer bislang zwei seiner herkömmlichen Mastställe in Eigenregie auf das neue System umgerüstet. In einem davon erzeugt er auf rund 500 Mastplätzen in der Haltungsstufe 3 (unter anderem 40 Prozent mehr Platz und gentechnikfreies Futter) Schlachtschweine für ein Markenfleischprogramm. Dieser Stall wurde so umgebaut, dass er kombiniert für die Ferkelaufzucht und Mast genutzt werden kann. Die Wandflächen sind hier zu einem Drittel offen – mit der Option, später Ausläufe zu schaffen.

„Das Besondere am Xaletto-System ist, dass ich eine trockene Mistmatratze habe, bei der keine Gülle anfällt und deutlich weniger Stroh benötigt wird als in anderen Strohställen“, erklärt Cloer. So liege der Verbrauch in der Ferkelaufzucht bei etwa 90 g Stroh pro Tier und Tag und in der Mast bei 350 g. Laut KTBL lägen die Verbräuche in Tiefstreuställen bei 300 g beziehungsweise 800 bis 1.000 g.

Dementsprechend geringer sind auch der Mistanfall und der benötigte Lagerraum. Der Mist wird in einer benachbarten Biogasanlage verwertet und das Gärsubstrat als Dünger auf dem Acker genutzt. Nachhaltig und regional wirtschaften ist für Henning Cloer Programm. Beleg hierfür sind auch die deutlich geringeren Emissionswerte als in vergleichbaren Stallsystemen.

„Auch beim Wasserverbrauch konnten wir im Vergleich zum herkömmlichen Maststall auf Vollspalten rund die Hälfte einsparen“, sagt der Landwirt. Die sensorgesteuerten Beckentränken würden Wasserverluste weitgehend verhindern. Alle Abteile haben eigene Wasserzähler, ebenso Sensoren für den Feuchte-, den CO2- und den Ammoniakgehalt.

Der Zahlenfuchs arbeitet intensiv mit diesen Daten und merkt sofort, wenn bei den Tieren etwas nicht stimmt. Die Futtersilos stehen auf Wiegestäben, sodass er auch den Futterverbrauch stets im Blick hat. Für Henning Cloer ist zum Beispiel das Futter-Wasser-Verhältnis eine entscheidende Kennzahl in der Schweinehaltung.

Dass die Entscheidung für das neue Strohhaltungssystem richtig war, zeigen ihm auch seine Schweine. Die Tiere strotzen vor Wohlbefinden, sind gesund und schöpfen ihr Leistungspotenzial weitgehend aus. Masttagszunahmen von über 1.000 g bei einer Futterverwertung von 1:2,65 sprechen für sich. ●

Zur Person

Henning Cloer ist Landwirt von der Pike auf und vor 25 Jahren in den elterlichen Betrieb, der 1602 erstmals urkundlich erwähnt wurde, eingestiegen. Der heute 48-Jährige und Vater von zwei Söhnen (14 und 12) hat den Hof mit Schweinemast und Ackerbau zunächst gemeinsam mit seinem Vater als GbR bewirtschaftet, bevor er 2010 das alleinige Zepter übernommen hat. Seit fünf Jahren rüstet er seine Ställe auf ein nachhaltiges und von der Öffentlichkeit akzeptiertes Strohhaltungsverfahren um. Darüber berichtet der gesellschaftlich engagierte Landwirt auch intensiv in den sozialen Medien.

Henning Cloer mit der Familie: Neben seiner Frau Nicole und den Söhnen Henk und Hannes sind das seine Eltern Christa und Heinrich.

Stimmen der Jury

„Henning Cloer hatte den Mut, als Pionier in ein neues Strohhaltungssystem für seine Schweine zu investieren – mit Erfolg.“

Uwe Bräunig, agrarheute

„Dem engagierten Landwirt ist es gelungen, Tierwohl und Umweltschutz nachhaltig unter einen Hut zu bekommen, ohne dabei die Ökonomie aus dem Blick zu verlieren.“

Dr. Stephan Kruse, Vion Food Group

„Mit dem Xaletto-System erzeugt er ein Rottesubstrat, das nur ein Drittel des herkömmlichen Güllevolumens besitzt.“

Dr. Dirk Hesse, agriKontakt

CERES AWARD - Wahl zum Landwirt des Jahres Jedes Jahr bestimmt die Fachjury in Kooperation mit agrarheute die Landwirtinnen und Landwirte des Jahres. Die Auszeichnung wird in sieben Kategorien vergeben, die das gesamte Spektrum der Landwirtschaft abbilden. Alle Informationen zum CERES AWARD finden Sie unter www.ceresaward.de

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